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Modellrechnung der KMK

Prognose für den Lehrerbedarf bis 2020 22.07.2011, 01:31

Diagrammausschnitt: Lehrerbedarfsentwicklung 2010-2020

In einer Modellrechnung hat die KMK (Kultusministerkonferenz) Bedarf und Angebot bei den Lehrämtern für die nächsten 10 Jahre prognostiziert. Die ostdeutschen Bundesländer werden sich zu einem wahren Eldorado des Lehramts entwickeln, in Westdeutschland wartet dagegen auf viele angehende Lehrer/innen Arbeitslosigkeit und Nichtbeschäftigung.

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  • (geändert: )

Die Kultusministerkonferenz hat für die Jahre 2010-2020 eine Modellrechnung über "Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt:

Die Modellrechnung stützt sich auf Angaben der Länder vom November 2010. Sie gehen jeweils aus vom Gesamtbedarf an Lehrkräften, die für die vorhandenen und prognostizierten Schülerzahlen bis 2020 als erforderlich angesehen werden. Der künftige Lehrerbedarf wird jedoch auch von Faktoren wie Klassengröße, Schulstrukturen und pädagogischen Maßnahmen beeinflusst. Die Modellrechnung der Kultusministerkonferenz weicht von anderen Untersuchungen ab, die aufgrund anderer Annahmen einen abweichenden Lehrerbedarf prognostizieren.

KMK: Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020

Die Einstellungssituation für Lehrer/innen unterscheidet sich vor allem zwischen den westlichen und östlichen Bundesländern und hinsichtlich der Schularten und Fächer. Während in den nächsten 10 Jahren in Westdeutschland ein Lehrerüberschuss von 16% prognostiziert wird, besteht in Ostdeutschland eine "rechnerische Unterdeckung" von 11%. Besonders an beruflichen Schulen wird für berufsbildende Fächer Lehrermangel zu verzeichnen sein.

Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf die Modellrechnung der kmk.org (PDF, Vollversion). Die Diagramme wurden vom Lehrerfreund auf Grundlage der im PDF verwendeten Datenlage erstellt.

Zuverlässigkeit der Modellrechnung

Auch wenn bisherige Prognosen über die Entwicklung von Schülerzahlen und der Lehrerbedarfssituation oft tendenziell richtig lagen, bleibt doch eine große Unsicherheit:

Grundsätzlich muss darauf hingewiesen werden, dass in der Lehrerbedarfs- und Lehrerangebotsmodellrechnung viele Unsicherheitsfaktoren eine Rolle spielen. Politische Entwicklungen beeinflussen maßgeblich die beiden Größen Angebot und Bedarf. Eine Modellrechnung für den Lehrereinstellungsbedarf und das -angebot wird daher die tatsächlich eintretende Entwicklung niemals exakt vorhersagen können.

Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020 (PDF), S. 7

Neben den "politische[n] Entwicklungen" ist zu berücksichtigen, dass die rechnerische Werte nicht immer ein differenziertes Bild der Situation wiedergeben:

Ein Bewerberüberangebot von z. B. durchschnittlich 3.300 Lehrkräften über alle Lehrämter erscheint zwar auf den ersten Blick zahlenmäßig hoch, bezogen auf einen Gesamtlehrkräftebestand in Deutschland von derzeit über 700.000 Lehrerinnen und Lehrern sind dies jedoch weniger als ein halbes Prozent. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass eine rechnerische Deckung von Angebot und Bedarf bzw. auch ein rechnerisches Überangebot von Lehrkräften nicht automatisch für eine flächendeckende Bedarfsdeckung ausreichend ist. Ursächlich dafür ist der regional, lehramtsspezifisch und fächerspezifisch unterschiedliche Bedarf und die Tatsache, dass Bewerberinnen und Bewerber unterschiedlich räumlich mobil sind.

Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020 (PDF), S. 11

Lehrerbedarf und Lehrerangebot 2010-2020 nach Schularten

Alle Schulstufen, Schulformen und Bundesländer

Bundesweit gibt es bis 2020 einen rein rechnerischen Überschuss von 3.300 Lehrer/innen pro Jahr. Nur noch 2011 und 2012 gibt es zu wenig Bewerber/innen. Allerdings sind diese Zahlen nicht besonders aussagekräftig, da sich die Situationen sehr stark nach Fächern und Schularten unterscheiden. Vor allem die Situation in den östlichen und westlichen Bundesländern unterscheidet sich massiv:

Lehrerbedarf und -angebot bis 2020 - Gesamt-BRD, alle Schulformen

Auf dem Diagramm ist zu schön zu sehen, wie sehr der Bedarf an Lehrer/innen bis 2020 in Westdeutschland sinken wird. Trifft die Prognose der KMK zu, produziert Westdeutschland im Jahr 2020 mindestens 10.000 Lehrer/innen zu viel. Der Bedarf in Ostdeutschland dagegen steigt stetig und kann von arbeitslosen Lehrer/innen aus Westdeutschland genutzt werden.

Grundschulen / Primarstufe

Während bei den Lehrämtern der Grundschule bzw. des Primarbereichs deutschlandweit voraussichtlich ein vergleichsweise ausgewogenes Verhältnis von Einstellungsbedarf und - angebot zu erwarten ist, stellt sich die Situation für die jeweiligen räumlichen Aggregatstufen unterschiedlich dar. So ist in den westdeutschen Ländern nahezu für den ganzen Zeitraum ein deutlicher Über- schuss an Lehrkräften festzustellen. In absoluten Zahlen ausgedrückt entspricht dies durch- schnittlich knapp 490 Personen pro Jahr. Hingegen ist in den ostdeutschen Ländern sowohl kurzfristig als auch mittel- bis langfristig von einer erheblichen Unterdeckung auszugehen. Demnach werden jährlich durchschnittlich mehr als 520 Personen in den Lehrämtern der Grundschule bzw. des Primarbereichs zusätzlich benötigt, wobei die jährliche Unterdeckung mit zunehmendem Zeithorizont wächst.

Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020 (PDF), S. 13

Lehrerbedarf und -angebot bis 2020, Primarstufe

Eigentlich ist im Primarbereich der Fall ganz einfach: Grundschullehrer/innen, die in den nächsten Jahren keine Anstellung in den westlichen Bundesländern bekommen, können in den ostdeutschen Bundesländern eine finden. Anders ausgedrückt: Wer heute in Westdeutschland ein Studium als Grundschullehrer/in beginnt, der sollte sich schon jetzt bereit zum Umzug in die östlichen Bundesländer machen.

Primarbereich + Sekundarstufe I

Mit "übergreifende Lehrämter des Primarbereichs und aller oder einzelner Schularten des Sekundarbereichs I" sind bspw. die kombinierten Lehrämter Grundschule-Hauptschule gemeint.

Während die Stellenaussichten in den nächsten Jahren noch gut sind, wird das Angebot ab 2014/2015 vor allem in den westdeutschen Ländern den Bedarf übersteigen:

Lehrerbedarf und -angebot, Primarstufe + Sekundarstufe I

Mangelfächer Primarbereich + Sekundarstufe I

(Die Reihenfolge zeigt den Grad der zu erwartenden Unterversorgung:)
Chemie, Physik, Englisch, Musik/Kunst/Gestaltung/Werken, Sport, außerdem gelinder Bedarf in Sozialkunde/Gesellschaftslehre/Politik und evangelischer Religionslehre. Die Fächer Geschichte, Biologie und katholische Religionslehre sind eher nicht gefragt. (S. 19)

Lehrämter für alle oder einzelne Schularten des Sekundarbereichs I

Bis etwa 2015 reicht das erwartete Angebot an Lehrkräften für Lehrämter für alle oder einzelne Schularten des Sekundarbereichs I nur knapp bzw. nicht vollständig aus, um deutschlandweit den Bedarf zu decken. Erst für die letzten fünf Jahre der Betrachtung kann von einer Überdeckung ausgegangen werden. Ein analoger Trend kann auch für die westdeutschen Länder beobachtet werden. In den ostdeutschen Ländern kann kurz- und mittelfristig der Bedarf an Lehrkräften gedeckt werden; langfristig sind jedoch punktuell Engpässe zu erwarten, da voraussichtlich nicht genügend Lehrkräfte nachkommen.

Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020 (PDF), S. 13f

Lehrerbedarf und -angebot bis 2020, Sekundarstufe I

Mangelfächer Sekundarstufe I

Kurz- und längerfristig gibt es Einstellungsbedarf für die Fächer Mathematik, Physik, Englisch, Französisch, Kunst/Gestaltung/Werken, Musik, Sport. Weniger gefragt sind die Fächer Geschichte, Erdkunde, Sozialkunde/Gesellschaftslehre/Politik. (S. 19)

Allgemein bildender Bereich: Sekundarstufe II oder Gymnasium

Hiermit ist das klassische Gymnasiallehramt für allgemein bildende Gymnasien gemeint.

Hier wird es vor allem in Westdeutschland zu großen Kluften zwischen Angebot und Bedarf kommen: Im Schnitt werden jährlich 3.900 Gymnasiallehrer/innen zu viel produziert, die KMK-Modellrechnung spricht von einem "deutlichen Bewerberüberhang". So werden sich im Jahr 2020 in den westdeutschen Bundesländern rund 9.300 Bewerber/innen auf 3.200 offene Stellen an Gymnasien bewerben. Das Diagramm veranschaulicht die Dramatik:

Lehrerbedarf und -angebot bis 2020, Gymnasien / Sekundarstufe II

Diejenigen, die nichts abbekommen, müssen sich nach Stellen im beruflichen Schulwesen umsehen:

Bei den Lehrämtern für den Sekundarbereich II (allgemein bildende Fächer) oder für das Gymnasium ist zu berücksichtigen, dass diese Lehrkräfte in einigen Ländern auch eingesetzt werden, um den Bedarf in den allgemein bildenden Fächern an den beruflichen Schulen zu decken. Der bundesweit hohe Bewerberüberhang ist insoweit zu relativieren.

Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020 (PDF), S. 15

Jährlich betrifft das deutschlandweit rund 700 Stellen (s.u.). Die Verteilungskämpfe um Stellen an allgemein bildenden Gymnasien dürften bereits in nächster Zukunft beginnen. Wer heute Gymnasiallehramt studiert, sollte sich dieser Tatsachen bewusst sein: Nur jede/r Dritte wird eine Stelle als Gymnasiallehrer/in finden, der Rest wird sich auf die freien Stellen an beruflichen Schulen stürzen - und zwar rund 10 Bewerber/innen auf eine Stelle.

Mangelfächer Gymnasium (allgemein bildend)

Hier lassen sich "die Einstellungsbedarfe nur schwer einschätzen" (S. 19). Vermutet wird ein Mangel in den Fächern Mathematik, Chemie, Physik und Informatik, Latein, während "andere Fächer wie z.B. Erdkunde und Geschichte" kaum gefragt sein werden.

Berufliche Schulen/Sekundarstufe II (berufliche Fächer)

Einzig an den beruflichen Schulen ist für die nächsten Jahre flächendeckend mit Unterversorgung zu rechnen:

Insbesondere bei den Lehrämtern für den Sekundarbereich II (berufliche Fächer) oder für die beruflichen Schulen ist bei durchschnittlich 2.600 kalkulierten Neubewerbern im Verhältnis zum Einstellungsbedarf von jährlich etwa 3.400 Lehrkräften in den Jahren 2010 bis 2020 eine beträchtliche Unterdeckung zu erwarten. Der Einstellungsbedarf kann demnach im Durchschnitt nur zu 79 % gedeckt werden. Die Lücke zwischen Nachfrage und Angebot beträgt jährlich etwas über 700 Lehrkräfte.
[...]
Zur Bedarfsdeckung in den allgemein bildenden Fächern werden in einigen Ländern auch Lehrkräfte der Lehrämter für den Sekundarbereich II (allgemein bildende Fächer) oder für das Gymnasium eingesetzt.

Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020 (PDF), S. 16

Lehrerbedarf und -angebot bis 2020 an beruflichen Schulen

Beim beruflichen Schulwesen sind die ostdeutschen Länder die großen Verlierer: Der Bedarf ist permanent und zunehmend nicht zu decken; im Unterschied zu den meisten anderen Schulformen besteht eine Unterdeckung aber auch in den westdeutschen Ländern, so dass hier nicht auf Ausgleich gehofft werden kann. Eher steht zu vermuten, dass einige Kolleg/innen in die westdeutschen Bundesländer abwandern werden und sich der Mangel in Ostdeutschland noch verstärkt.

Mangelfächer berufliche Schulen

Vor allem die beruflichen Fachrichtungen Metall-, Elektro-, Fahrzeugtechnik, außerdem Fremdsprachen, Mathematik. (S. 19f)

Sonderpädagogik

Der Einstellungsbedarf bei den Sonderpädagogischen Lehrämtern kann im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2020 nur zu 94 % gedeckt werden. Bundesweit fehlen bis 2015 jährlich durchschnittlich ca. 450 Lehrkräfte, langfristig übersteigt das Angebot den Bedarf.

Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020 (PDF), S. 17

Bedarf und Angebot für Lehrer im sonderpädagogischen Bereich

In "nahezu allen" Förderschwerpunkten wird es mittel- und langfristig Einstellungsbedarf geben.

Fazit

Das globale Fazit der Kultusministerkonferenz:

Fazit ist, dass es sich weiterhin lohnt, ein Lehramtsstudium aufzunehmen. Studierende sollten jedoch vor Aufnahme eines Studiums beachten, dass es Chancenunterschiede in den westlichen und östlichen Ländern, zwischen Schularten und Fächern gibt.

kmk.org 29.06.2011: Lehrereinstellungsbedarf und Lehrereinstellungsangebot in der Bundesrepublik Deutschland - Modellrechnung 2010 – 2020

Eigentlich hätte man das auch anders formulieren können, ungefähr so:

Fazit ist, dass ein Lehramtsstudium in Westdeutschland keine gute Idee ist, da in den kommenden zehn Jahren deutschlandweit jährlich deutlich mehr als 3.300 Lehrer/innen keine Anstellung finden werden. Eine Ausnahme bildet das berufliche Schulwesen, sehr gute Aussichten gibt es auch in den ostdeutschen Bundesländern.

Die KMK befindet sich - wie jede/r andere Politiker/in, die in diesem Themenkomplex aktiv wird -  in einer Zwickmühle: Zu viele Löcher gibt es zu stopfen, es könnte fatale Folgen haben, pauschal vom Lehramtsstudium abzuraten. Deshalb hat man Fazit 1 gewählt.

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Kommentare

2

Zum Artikel "Prognose für den Lehrerbedarf bis 2020".

  • #1

    Gesamt nennt man das “Schweinezyklus”, wobei mir völlig unklar bleibt, weshalb es den Ländern nicht möglich ist, diese Situation durch entsprechende Einstellungskorridore zu vermeiden. Um die Lehramtsstudentin zu beruhigen - Lehramt sei ein Studium in die Arbeitslosigkeit, das habe ich vor 10 Jahren auch gehört und bin ziemlich problemlos reingekommen. Allerdings nützen Zusatzqualifikationen nicht wirklich, DaF ist nett, das will aber an normalen Schulen keiner bezahlen, auch wenn es noch so sinnvoll wäre. Wir definieren ja eine deutsche Klasse als gegeben, wenn nur ein Schüler deutsch ist. Auch Doktortitel und Ähnliches machen sich im Schuldienst nicht bezahlt, es geht in der Tat im Prinzip nur um die Note. Wenn man sich selbst einen Gefallen tun will, macht man Jugendarbeit, das erleichtert im Referendariat das Leben ungemein…

    schrieb Leseratte am

  • #2

    Lese ich solche Prognosen bildet sich immer ein riesiger Kloß in meinem Hals… ich kann nur beten, dass mein Berufswunsch nicht mein Leben ruiniert :-(
    Können eigentlich “Zusatzqualifikationen” wie Auslandserfahrung (bei Sprachstudenten) oder ein DaF-Aufbaustudium Einstellungschancen erhöhen, oder geht es rein nach Fächerkombination und Noten?

    schrieb Lehramtsstudentin am

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