Weniger ist mehr
Unterricht mit interaktivem Whiteboard - 3 Tipps zum Einstieg 21.01.2009, 01:22
Was kann man als Lehrer/in tatsächlich mit einem interaktiven Whiteboard anstellen, ohne sich monatelang einarbeiten zu müssen oder den Unterricht zum Medienzirkus werden zu lassen? Drei Tipps für die Praxis.
Immer mehr Schulen besitzen ein oder mehrere interaktive Whiteboards. Die zugehörigen Berichte in den Medien sind jedoch meistens realitätsfremd und von den PR-Abteilungen der Whiteboard-Hersteller beeinflusst (lesen Sie dazu Der Lehrerfreund 08.10.2008: Vom Sinn und Unsinn interaktiver Whiteboards im Unterricht).
Ihr neues Whiteboard. Und dann? - Alltägliches Szenario
Wenn Sie an Ihrer Schule plötzlich ein interaktives Whiteboard bekommen, werden Sie wahrscheinlich eine kurze methodische Einführung von einem Mitarbeiter der Herstellerfirma oder von einem eigens dafür ernannten Kollegen erhalten. In dieser Einführung werden Sie die grundlegende Bedienung erlernen; außerdem wird man Ihnen eine Menge toller Spielereien vorführen (unvermeidlich: Google-Earth), die Sie als Whiteboard-Anfänger/in allerdings in Ihrem Unterricht kaum brauchen werden. Sie planen eine Stunde, in der das Whiteboard zum Einsatz kommt. Die Stunde wird jedoch in die Hose gehen, weil Sie viel zu viel Medienschnickschnack eingebaut haben, der Sie völlig von der inhaltlichen und pädagogischen Arbeit abhält. In der Phase, in der es gerade mal richtig gut läuft, müssen Sie das Whiteboard zur Erheiterung der Klasse neu kalibrieren. Sie beschließen, erst mal auf “konkrete Unterrichtskonzepte” zu warten. Wenige Wochen später haben Sie vergessen, wie man die Whiteboard-Software bedient. In der Fortbildung (6 Monate später) sitzen Sie und werden wie 80% Ihrer KollegInnen denken, dass es eine herkömmliche Kreidetafel für Sie doch eigentlich auch tut. Extra wegen eines Videos das Whiteboard anschmeißen ... da holt man doch lieber den Beamerwagen.
In diesem Szenario ist die gängige Medienfalle des deutschen Bildungswesens dargestellt: Viel Technik, viel heiße Luft, keine unterrichtsrelevante Aus-/Fortbildung. Doch zum Glück gibt es Den Lehrerfreund!
Drei Tipps für den Unterricht mit Ihrem neuen Whiteboard
Ob Sie punktuellen oder dauerhaften Zugriff auf ein interaktives Whiteboard haben - man kann den Unterricht damit sehr bereichern, wenn man sich zuerst einmal an die Devise “weniger ist mehr” hält. Vergessen Sie nicht: Das meiste Gequatsche in den Medien ist nichts weiter als eine große Politiker- und Marketinglüge - glückliche Schüler, Zeitersparnis für die Lehrer/in, Tafelbilder herummailen usw. Natürlich nutzen Sie mit den folgenden Tipps erst mal nur (die wichtigen!) 10% dessen, was ein solches Whiteboard kann. Kein Grund zur Nervosität - ein gutes computergestütztes Unterrichtsprojekt nutzt auch nur 10% der vorhandenen Rechnerleistung.
Die folgenden Beispiele sind fachunabhängig formuliert. Es gibt weitere einfache, empfehlenswerte Anwendungsmöglichkeiten für einzelne Fächer (z.B. mathematische Geometrie ), die wir aussparen.
Wichtige Grundregel: Die Bedienung von Toolbars, Menüs etc. erfolgt ausschließlich durch die Lehrer/in
Wahrscheinlich haben Sie auf der Oberfläche des Whiteboards eine Toolbar, ein Softwaremenü o.ä. zur Verfügung. Legen Sie für die erste Zeit als eherne Regel fest: Wenn ein/e Schüler/in etwas an die Tafel schreibt, bedient er/sie keine dieser Optionen. Es stört den Unterricht, wenn Schüler/innen beginnen, in Schriftformatierungsmenüs herumzuklicken, statt einfach das Gruppenarbeitsergebnis anzuschreiben. In der ersten Zeit schreiben Schüler/innen ausschließlich ohne Handschrifterkennung (obwohl das später gerade für krakelige Schüleranschriebe eine nützliche Funktion sein kann).
Tipp 1: Erstellen Sie ein Tafelbild.
Viele Lehrer/innen fühlen sich geradezu verpflichtet, das Whiteboard von Anfang an voll auszunutzen: ein Filmchen zeigen, eine Webseite aufrufen, Texte herumschieben usw. Das führt (wenn Sie neu im Metier sind) zu einem ungesunden Übermaß an Medieneinsatz.
Verwenden Sie das interaktive Whiteboard zu Anfang wie ein normale Tafel und realisieren Sie einfach Ihr Tafelbild (wie meistens haben Sie - interaktives Whiteboard hin oder her - nur eines). Vergessen Sie nicht, dass es um den Inhalt geht. Wenn am Schluss der Stunde nur sieben Wörter an der Tafel stehen, ist das völlig in Ordnung.
Wenn Sie es sich zutrauen: Benutzen Sie die Handschrifterkennung, unterstreichen Sie die Überschrift, formatieren Sie die Überschrift fett. Fertig.
Wenn Sie Ihr Tafelbild zuhause mit einer Präsentationssoftware (z.B. Keynote, Powerpoint) am PC erstellen, können Sie es via USB-Stick auf den Whiteboard-Rechner aufspielen und sparen Sich im Unterricht die Schreiberei. Passen Sie auf, dass es trotz Powerpoint ein Tafelbild bleibt und keine Klickklickklick-Präsentation wird.
Tipp 2: Zeigen Sie ein Bild.
Mit Ihrem interaktiven Whiteboard brauchen Sie keine Folien mehr. Statt ein Bild, einen Text, ein Schaubild auf Folie zu kopieren, scannen Sie es ein und speichern es auf dem Whiteboard-Rechner. Mit Klick rufen Sie es auf. Verwenden Sie die “Folien” wie bisher: Nicht zu illustrativen Zwecken, sondern als Lerngegenstand oder inhaltlichen Impuls.
Tipp 3: Zeigen Sie ein Video.
Zeigen Sie in Ihrem Unterricht ein kurzes Video. Wenn Sie keines auf DVD oder digital vorliegen haben, hilft Ihnen häufig YouTube weiter. Wenn Sie befürchten, dass das Internet just in Ihrer Stunde ausfällt, speichern Sie den Film auf die Festplatte (z.B. mit einem Firefox-Addon). Wenn Sie die Videos direkt über youtube.com zeigen: Klicken Sie auf keine Links. Unterbinden Sie Kommentare in der Art “Ich kenne auf YouTube auch ein geiles Video, das ...”. Reden Sie selbst im Unterricht nicht über YouTube (Sie reden sonst ja auch nicht über die Herstellerfirma des DVD-Players). Klicken Sie nicht auf Links, deren Anwahl vor Stundenbeginn nicht geplant war.
Zeigen Sie auf keinen Fall Ausschnitte, die länger als vier Minuten dauern.
Beispiele:
- Physikunterricht: Zeigen Sie ein Experiment zur schiefen Ebene. Besprechen Sie den Vorgang, spielen Sie das Video bei Bedarf erneut ab. Verhalten Sie sich so wie bei einem “echten” Experiment.
- Deutschunterricht: Sie behandeln Schillers “Maria Stuart”, das zentrale Aufeinandertreffen von Maria und Elisabeth in III,4. Sehen Sie sich einen Ausschnitt des SchülerInnenvideos zu Maria Stuart III,4 an. Verhalten Sie sich wie bei einem “normalen” Video.
- Religionsunterricht, Gemeinschaftskunde/Sozialkunde: Vergleichen Sie die Koranrezitation von Scheich Abdul-Basit mit der Bibellesung von Ben Becker.
- Geschichte/Politik: Erörtern Sie die in der Bundestagsdebatte zur Online-Durchsuchung (Wieland/Grüne, Schäuble/CDU) genannten Argumente.
Zwei grundlegende Funktionen interaktiver Whiteboards
Diese drei Hinweise operieren mit den zwei wesentlichen Grundfunktionen interaktiver Whiteboards: Zum einen können auf sehr komfortable Weise Anschriebe erstellt werden (evtl. inkl. Handschrifterkennung, Schriftformatierung ...); außerdem können Sie digitale Formate (Bilder, Filme, Texte) darstellen. Der Medieneinsatz in Ihrem Unterricht verbessert sich dadurch imposant - sofern Sie sich nicht mitreißen lassen und in 45 Minuten 15 Folien zeigen. Bisher waren es doch auch nur höchstens drei.