Schulrecht
Was dürfen Lehrer? Aus dem Nähkästchen des Schulrechts 18.03.2007, 09:42
Zusammenfassung des Schulrechts, geordnet nach Bundesländern: Welche Befugnisse haben LehrerInnen, welche Ordnungsmaßnahmen können ergriffen werden? Wir betrachten die Bereiche "Täuschungsversuche", "Geldstrafe", "Hinauswerfen" und "Nachsitzen".
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Focus hat diese Zusammenstellung des gültigen Schulrechts veröffentlicht, gefunden haben wir sie bei Schwellenpädagogik. Für jedes Bundesland wurde das Schulrecht in verständliche Sprache zusammengefasst, in der Regel mit Beispielen aus dem Schulalltag (meist zu den Themen “Ordnungsmaßnahmen”, (pädagogische) “Erziehungsmaßnahmen” und “Täuschungsversuch”). Die Liste zu den einzelnen Bundesländern finden Sie unten am Ende des Beitrags.
Auf den ersten Blick ist sich die Schulrechtsprechung der einzelnen Bundesländer sehr ähnlich, es gibt aber doch einige interessante Unterschiede.
Täuschungsversuch - kann, darf oder muss man die “6” (ungenügend) geben?
Während in den meisten Bundesländern Täuschungsversuche (“Abschreiben”) nach pädagogischem Ermessen behandelt werden sollen, führt in Sachsen ein entdeckter Täuschungsversuch zwangsläufig zur Note “ungenügend”: Der Lehrer MUSS nach §25 der Schulordnung Gymnasien (SOGY) ein "Ungenügend" geben, wenn ein/e Schüler/in abgeschrieben oder sonstwie getäuscht hat. Es gibt KEINEN Ermessensspielraum!
"Pädagogisches Ermessen" bedeutet dabei i.d.R. zweierlei:
a) Es kann eine "Sechs" (= Note ungenügend) gegeben werden (oder nicht).
b) Es kann ein Abzug vorgenommen werden bzw. nur ein Teil der Leistung gewertet werden.
c) Die Arbeit kann nachgeschrieben werden.
Für Baden-Württemberg ist hier die "Verordnung des Kultusministeriums über die Notenbildung" (vulgo: NVO, Notenbildungsverordnung) maßgeblich. Zu Täuschungsversuchen ist zu lesen:
(6) Begeht ein Schüler bei einer schriftlichen Arbeit eine Täuschungshandlung oder einen Täuschungsversuch, entscheidet der Fachlehrer, ob die Arbeit wie üblich zur Leistungsbewertung herangezogen werden kann. Ist dies nicht möglich, nimmt der Fachlehrer einen Notenabzug vor oder ordnet an, daß der Schüler eine entsprechende Arbeit nochmals anzufertigen hat. In Fällen, in denen eine schwere oder wiederholte Täuschung vorliegt, kann die Arbeit mit der Note "ungenügend" bewertet werden.
Baden-Württemberg: Verordnung des Kultusministeriums über die Notenbildung, §8 Klassenarbeiten
Man beachte, dass die Noten "ungenügend" nur im Falle einer "schweren" Täuschung vergeben wird. Die Definition, was eine "schwere" Täuschung ist, dürfte wieder im Ermessen der Lehrperson liegen.
Nachsitzen
Ist in allen Bundesländern erlaubt, in vielen explizit NUR nach vorheriger Information der Erziehungsberechtigten. In Thüringen kann über die Legitimität von Nachsitzen von Schule zu Schule unterschiedlich entschieden werden (z.B. via Konferenzbeschluss, Schul- und Hausordnung). Eine Schule kann also beschließen, dass es KEIN Nachsitzen gibt.
Geldstrafen
Geldstrafen sind grundsätzlich nicht erlaubt, eine Ausnahme (?) bildet laut Zusammenstellung des Focus Hamburg, der Text ist aber fehlerhaft. Vielleicht sollte da statt “zulässig” “unzulässig” stehen?
Hamburg
Geld in eine Klassekasse einzuzahlen, weil man zum Beispiel auf dem Schulhof beim Rauchen erwischt wurde, hält die Rechtsabteilung der Behörde für Bildung und für zulässig [sic], jedenfalls nicht für rechtlich durchsetzbar.
Verweis aus dem Klassenraum
In vielen Bundesländern ist das spontane Vor-die-Tür-Schicken (“Rausschmeißen”) unartiger SchülerInnen ein heißes Eisen (und im Schulrecht nicht explizit geregelt), da die ausgesonderte SchülerIn vor der Tür nicht beaufsichtigt werden können. Uns Baden-WürttembergerInnen hat man während des Referendariats beigebracht, dass man in Sonderfällen SchülerInnen schon hinauswerfen darf, aber nur, wenn man die explizite Anweisung gibt “Du bleibst vor der Tür stehen” und somit die Aufsicht über die SchülerIn behält.
In Sachsen-Anhalt und Niedersachsen ist der spontane Verweis aus dem Unterrichtsraum explizit erlaubt, in Bayern explizit verboten.
Niedersachsen: Rauswerfen erlaubt
Das Verweisen aus dem Unterrichtsraum gilt nach NSchG (Niedersächsisches SAchulgesetz) als Erziehungsmittel. Auf dem niedersächsischen Bildungsserver ist ausgeführt:
Erziehungsmittel kommen in Betracht, wenn eine Schülerin bzw. ein Schüler die Unterrichts- oder Erziehungsarbeit beeinträchtigt. Es handelt sich um pädagogische Maßnahmen, die keine rechtlichen Folgen für die Stellung der Schülerin oder des Schülers haben, und daher keiner gesetzlichen Grundlage bedürfen.
Niedersächsischer Bildungsserver: Erziehungsmittel und Ordnungsmaßnahmen
Dazu gehört neben bspw. "Strafarbeiten" ("Zusätzliche häusliche Übungsarbeiten") die "Verweisung aus dem Unterrichtsraum". Im juristischen Kommentar "Die Aufsichtspflicht des Lehrers" ebenfalls auf dem niedersächsische Bildungsserver wird ergänzend ausgeführt:
Die Verweisung aus dem Unterrichtsraum ist als Erziehungsmittel zulässig; allerdings nur ausnahmsweise und nur dann, wenn keine andere Möglichkeit besteht, einen ordnungsgemäßen Unterricht zu sichern (vgl. Erlass des MK über Erziehungsmitte l und Ordnungsmaßnahmen vom 13. 9. 1983; SVBI. S. 286, dort Ziff. 2.l.7)5). Ausdrücklich wird in dem Erlass darauf hingewiesen, dass die Aufsichtspflicht der Schule unberührt bleibt. Da ein vor die Tür gewiesener Schüler natürlich nicht gesondert beaufsichtigt werden kann, wird sich der Lehrer sehr genau überlegen müssen, ob der Schüler draußen unbeaufsichtigt nicht größeren Schaden anrichten kann als wenn er in der Klasse verbleibt.
Niedersächsischer Bildungsserver: Die Aufsichtspflicht des Lehrers (PDF)
Sachsen-Anhalt: Rauswerfen erlaubt
In Sachsen-Anhalt gilt die "Verweisung aus dem Unterrichtsraum" wie in Niedersachsen als "Erziehungsmittel" und ist in der Verwaltungsvorschrift "Erziehungsmittel in der Schule" festgehalten.
Bayern: Rauswerfen verboten
Laut Focus ist das Hinauswerfen in Bayern verboten:
Bayern: Hinauswerfen verboten
Beispiel 4 – Unterrichtsausschluss:
In Bayern dürfen Gymnasiasten nicht vor die Tür des Klassenzimmers gestellt werden, auch nicht für kurze Zeit. Ein „Platzverweis“ als Erziehungsmaßnahme scheidet in der Regel aus, da die Aufsichtspflicht der Schule, rechtlich verankert in § 39 [gemeint ist wohl §38, Red.] der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (GSO), dagegensteht.
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