Schlabberlook oder Anzug
Welche Lehrer-Bekleidung für optimalen Unterrichtserfolg? 31.01.2010, 21:46
Wenn über die Bekleidung von Lehrer/innen diskutiert wird, kommt ziemlich schnell das Konzept "Schlabberlook" ins Spiel - und die Frage nach dem Zusammenhang von Lehrerbekleidung und Unterrichtserfolg: Ist guter Unterricht nur im Anzug möglich? Ein "Stilexperte" der NZZ ist davon überzeugt und rät Lehrer/innen dazu, Freizeitgarderobe und Sportswear zu meiden.
Es ist allgemein bekannt, dass Lehrer/innen keinem Krawattenzwang unterworfen sind. Deshalb kennt man bei Lehrer/innen verschiedene Bekleidungsstile; Mephisto aus dem Pädagogischen Untergrund veranschaulicht sie (gekürzt):
- Männer mit fast in die Armbeuge hochgezogenen, speckigen Breitcordjeans.
- Lappige Wollpullover mit den abscheulichsten Mustern .
- Sandalen, in denen bestrumpfte Füße stecken (manchmal ohne Strümpfe noch viel schlimmer).
- Insgesamt schlecht sitzende, billige Kleidung, die an den merkwürdigsten Stellen mit Kreideflecken verunreinigt ist, und das nicht nur an einem Tag, nein, jeden Tag.
- ...und, und, und…
Meldungen aus dem Pädagogischen Untergrund 10.01.2010: Stil im Lehrerzimmer (hier gekürzt)
Im Artikel Kleider machen Lehrer der NZZ (Neue Zürcher Zeitung) ist zu lesen, dass ein “erfolgreiches Lernklima” auch vom Bekleidungsstil der Lehrer/in abhängen könnte - bedeutet "Schlabberlook", dass man die Schüler/innen nicht ernst nimmt (und sich für sie nicht mal ordentlich anziehen braucht), oder deutet schlampige Kleidung eher auf "geistige Grösse", dass man über den Äußerlichkeiten steht und sich eher auf die Sache konzentriert? (NZZ 16.11.2009: Kleider machen Lehrer - Warum die Berufskleidung der Pädagogen grossen Anteil am schulischen Erfolg hat)
Auch wenn der Anteil der “Schlabberer” unter den Lehrer/innen 25% nicht übersteigen dürfte, ist damit doch die zentrale Frage formuliert. Ist ein bestimmter Kleidungsstil wichtig, weil dadurch der Lehrer/in als Vorbild und Kompetenzperson mehr Respekt entgegengebracht wird? Oder kann eine authentische, starke Lehrerpersönlichkeit vollkommen unabhängig von der Bekleidung?
In der NZZ spricht nun auch ein “Stilexperte” Empfehlungen für die Kleidung von Lehrer/innen aus. Er rät dazu, auf die “gängigen Elemente der Freizeitgarderobe oder Sportswear” ganz zu verzichten, um auch optisch einen Abstand zu den Schüler/innen zu kreieren, der “dem Respekt gegenüber den Pädagogen zuträglich ist”. Wie einfach es doch sein kann, sich Respekt bei den Schüler/innen zu verschaffen!
Der Stilexperte gibt weiterhin konkrete Hinweise zur Lehrer/innen-Garderobe. Bei den Herren rät er zu einer
englisch angehauchte[n] Kombinationen aus Kord, Tweed oder einem währschaften [sic] Baumwoll-Twill. Die Ärmel des Sakkos können Leder-Blätze an den Ellbogen haben. Zu dieser Garderobe gehören Flanell- oder Oxford-Hemden - niemals aber kragenlose T-Shirts. [...] Über dem Hemd können auch einfarbige Pullover oder Pullunder getragen werden.
Den Damen empfiehlt der Stilexperte ein Kostüm; statt Jeans sollten sie besser einen Hosenrock tragen, vielleicht mit Feinstrickjacke. Auf “Schmuck und hohe Absätze kann verzichtet werden”.
Diese Vorschläge klingen so verstaubt, dass sie schon wieder als originell bezeichnet werden können. Warum denn nicht auch mal in Tracht unterrichten? Das dürfte die angestrebte “gewisse Differenzierung” zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen noch mehr steigern.
Dennoch sollten wir auch den treffenden Kern in den Vorschlägen des Stilexperten sehen:
- Ein bisschen Seriosität kann als Lehrer/in sicher nicht schaden. Indoktriniert durch Werbung und Markenzwänge entwickeln Schüler/innen schon früh ein ausgeprägtes (oft auch: übertriebenes) Bewusstsein für Kleidungsstil - man muss den Vergleich “rennt rum wie ein Penner” ja nicht zwanghaft provozieren.
- Ebenfalls sollte man übertriebene Fraternisierung mit den Schüler/innen vermeiden. Das Tragen von massiv goldenen Hiphop-Ketten bei knietiefem Hosenbund zeigt sogar den MTV-verseuchtesten Schüler/innen, dass man offensichtlich irgendwann in der eigenen Entwicklung stehen geblieben ist - oder angesichts anderer Defizite nonverbale Kumpelei nötig hat.
Die ganze Diskussion hat natürlich auch etwas Obszönes. Denn es geht eigentlich nicht um die Frage, ob eine gute/r Lehrer/in auch in einen Kartoffelsack gehüllt guten Unterricht machen könnte. Es geht auch um die Frage, inwieweit der Respekt der Schüler/innen mit dem äußerlichen Erscheinungsbild der Lehrperson zusammenhängt. Von dort aus ist es kein weiter Schritt mehr, hässliche oder dicke Lehrer/innen als suboptimale Unterrichtsgestalter/innen zu sehen.