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OER statt Schultrojaner

OER: Polen setzt auf freie Bildungsmaterialien 04.04.2012, 23:22

Polen-Karte mit CC-Lizenz
Bild: maps.google.com / CC-Logo

Polens Regierung setzt auf OER: Mit 11.5 Millionen Euro werden vollständig frei verfügbare Unterrichtsmaterialien für die Klassen 4 bis 6 entwickelt. Staunend betrachten wir diese Entwicklung - während die deutschen Kultusminister/innen und die Schulbuchverlage nichts Besseres zu tun haben, als uns einen Schultrojaner in den Pelz zu setzen.

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  • (geändert: )

Definition "OER" = Open Educational Ressources = vollständig kostenlos und frei verfügbare Unterrichtsmaterialien, Recht auf uneingeschränkte Reproduktion. Wurde nach dem Schultrojaner-Skandal zum populären Schlagwort in der Bildungsszene (s.u.).

Die Entwicklung freier Bildungsmaterialien wird in Polen seit einigen Jahren von NGOs vorangetrieben, teilweise unterstützt von der Regierung. Die bekanntesten Projekte entwickelt die polnische Stiftung "Fundacja nowoczesna Polska" (Stiftung modernes Polen) , unterstützt u.a. vom polnischen Bildungsministerium. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, das Bildungssystem in Polen zu modernisieren und die Entwicklung der Informationsgesellschaft zu unterstützen:

Unser bisher größtes Projekt seit 2007 ist die Schulbibliothek Wolne Lektury ("Freie Literatur").  [...] Mehr als 100.000 Lehrer/innen und Lernende besuchen die Bibliothek jeden Monat [...]

Das innovative Projekt Wolne Podręczniki ("Freie Handbücher") [...hat es sich zum Ziel gesetzt], Schulbücher zu erstellen, die kostenlos im Internet verfügbar sind und dauerhaft verwendet werden können.

Fundacja nowoczesna Polska: About us (Übersetzung Lehrerfreund)

Auf diesen Projekten aufbauend hat die polnische Regierung am 3. April 2012 das 11.5 Millionen Euro schwere "Digital School Program" verabschiedet:

Die Regierung hat beschlossen, die Klassen 4 bis 6 (9- bis 11-Jährige) komplett mit Bildungsmaterialien zu versorgen. Alle diese Materialien werden unter der CC BY-Lizenz verfügbar sein [...]

Ein Bildungssystem kann nur dann wirklich effektiv funktionieren, wenn Unterrichtsmaterialien völlig frei und uneingeschränkt verwendet werden können.

Fundacja nowoczesna Polska 03.04.2012: Free Textbooks are part of "Digital School"-Program (Übersetzung Lehrerfreund)

Mit anderen Worten: Die polnische Regierung finanziert Schulbücher, die kostenlos benutzt und vervielfältigt werden können. Sämtliche Materialien können für weitere Verwendung frei bearbeitet werden. Auch die kommerzielle Nutzung ist uneingeschränkt möglich. Die einzige Einschränkung besteht darin, dass immer der Namen des Rechteinhabers genannt werden muss (in diesem Fall wohl: "Polen / Digital School Program"). Zum Nachlesen: CC-BY-Lizenz.

In Deutschland läuft das ganz anders, Beispiel Schultrojaner: Die Schulbuchverlage versuchen mit allen Mitteln, ihre Pfründe zu retten und erhalten dabei tatkräftige Hilfe von den Kultusministern (Lehrerfreund 31.10.2011: Schulbuchverlage wollen Rechner an Schulen ausspionieren). Damit ist alles gesagt: Politiker wie auch Bildungsdienstleister sehnen sich nach Geld und Macht - die Qualität des Bildungssystems ist ihnen herzlich egal.

Eine Reihe von Lehrer/innen hat sich nach Bekanntwerden der Schultrojaner-Ausspäherei umgehend organisiert, um freie Lehr- und Lernmaterialien zu sammeln und zu publizieren (#OER). Das ambitionierte Projekt ist jedoch in den Startlöchern stecken geblieben, einige wenige Überzeugte sind übriggeblieben und leisten wertvolle inhaltliche und Lobbyarbeit (z.B.: Damian Duchamps' Blog / cc your EDU,  segu).

Als hübsch formulierte Zusammenfassung kann der Beitrag von Fefe gelten (dort auch gefunden):

Die Polen führen digitale Schulbücher unter einer Creative Commons-Lizenz ein. Damit sind sie uns um Jahrzehnte voraus, weil sich bei uns die debile Politik von der Schulbuchlobby einlullen ließ. Bei uns zahlt der Steuerzahler liebe endlos Lizenzgebühren an Verlage.

Fefes Blog 04.04.2012

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Kommentare

4

Zum Artikel "OER: Polen setzt auf freie Bildungsmaterialien".

  • #1

    Selber machen:

    Ich unterrichte Physik an einer Hauptschule in NRW. Für lehrplangerechte Bücher fehlt im Moment das Geld. Insofern ist das polnische Modell sehr interessant. Man kann die Realität nur verändern, indem man Fakten schafft:: Ab Montag versuche ich mit polnisch sprachigen Schülerinnen und Schülern und der HSU-Kollegin die für Physik recht brauchbaren Materialien zu übersetzen und den Lehrplänen anzupassen. Bei Erfolg melde ich mich wieder an dieser Stelle.

    schrieb Bonifaz am

  • #2

    Freie Unterrichtsmedien sind in D aber nicht gewollt. Das fängt z.B. schon bei den Abituraufgaben an, für die der Verlag mit den rot-weißen Büchern langjährige Alleinrechte inne hat.

    Initiativen dazu gibt’s aber schon.

    schrieb Tim am

  • #3

    Die Aussicht auf freie und digital verwendbare Unterrichtsmedien ist grandios und in der Perspektive für modernen, computergestützten Unterricht alternativlos. Das bei uns herrschende Urheberrecht an allgemeinbildenden Unterrichtsmedien verhindert jegliche zeitgemäße Verarbeitung, Bearbeitung und Vermittlung von Unterrichtsstoff. Der nächste Pisa-Schock für Deutschland ist voraussehbar, wenn Südkorea, Polen und andere Länder die Bildungsmittel ihrer Bevölkerung allgemein zugänglich machen.

    schrieb helgedidact am

  • #4

    “Bei uns zahlt der Steuerzahler liebe endlos Lizenzgebühren an Verlage” (Fefe, 04.04.2012), ... für die diese dann Schultrojaner programmieren und installieren lassen!
    Offensichtlich fühlen sich die Kultusminister nicht im geringsten Schülern, Eltern und Lehrern gegenüber verpflichtet, sondern eher der Lobby der Schulbuchverlage - da kann man ja auch schön noch Geld mit-/dazuverdienen, selbst wenn man kein Kultusminister mehr ist! Und wenn es mal wieder einen schlechten (PISA-)Test gibt: Den schiebt man den Lehrern locker in die Schuhe!
    Eigentlich kann man nur dazu aufrufen:
    LEHRER, KAUFT NICHTS MEHR BEI DEN SCHULBUCHVERLAGEN!

    schrieb Bin!Der am

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