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Wundersame Wandlung: Schavan hat dem Föderalismus abgeschworen 16.01.2011, 21:10

Annette Schavan (Bild: Wikimedia Commons, commons.wikimedia.org/wiki/File:D_Eröffnung.jpg)
Bild: Wikimedia Commons: Annette Schavan

Als Kultusministerin Baden-Württembergs hat Annette Schavan (CDU) dem Föderalismus im Bildungssystem den Rücken gestärkt; seit sie Bundesbildungsministerin ist, sieht sie plötzlich alles ganz anders und wirbt um nationale Einheitlichkeit im Bildungswesen. Leider hat sie als Bundesbildungsministerin wesentlich weniger Macht als früher. Spaenle & Co werden ihren Vorstoß amüsiert zur Kenntnis nehmen - und wieder tut sich nichts.

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  • (geändert: )

Im deutschen Bildungssystem kocht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen - das nennt man “Bildungsföderalismus”. Deutschlandweit gibt es etwa 3000 verschiedene Lehr-/Bildungspläne, für jedes Bundesland gibt es unterschiedliche Schulbücher, unterschiedliche Prüfungsrichtlinien, unterschiedliche Namen für Fächer und unterschiedliche Fächerverbünde. Diese Struktur verhindert nachhaltig Innovation und sorgt für sinnlose Kosten. Der Föderalismus gehört zu den größten Mängeln im deutschen Bildungssystem.

Doch die eitlen Kultusminister/innen möchten keine Kompetenzen abgeben und stärken dem Bildungsföderalismus den Rücken - wie einst Annette Schavan (CDU), die als Kultusministerin Baden-Württembergs gegen die Aufweichung föderalistischer Strukturen agitiert hat. Unvergessen ist ihr Engagement bei der Föderalismusreform I, die sie inzwischen als “Crash” bezeichnet. Heute ist Annette Schavan Bundesbildungsministern und beschwört die bundesweite Einheitlichkeit im Bildungswesen: Sie fordert bundesweit gültige Schulbücher, jüngst hat sie für nationale Bildungsstandards geworben. Eine höchst verblüffende Wandlung - einige Beispiele gefällig? (Hervorhebungen Lehrerfreund)

Annette Schavan (CDU), Kultusministerin Baden-Württemberg 1995-2005, Befürworterin des BildungsföderalismusAnnette Schavan (CDU), Bundesbildungsministerin BRD (seit 2005), Gegnerin des Bildungsföderalismus

Holzapfel:[...] Ich plädiere für einen nationalen Bildungsrat, dem Experten aller Gesellschaftsgruppen angehören [...]

Schavan: Herr Holzapfel, wir haben 16 Kultusminister, die diesen Job erledigen sollten. Wenn wir jetzt noch Leute von draußen brauchen, die wieder fünf Jahre diskutieren, bis sie uns im Schloß Bellevue einen ersten Zwischenbericht vorlegen, machen wir uns unglaubwürdig. Ich setze da schon auf unseren Föderalismus. Einen nationalen Lehrplan wird es nicht geben.

(Focus Magazin Nr. 5(1999): Turbo-Abi versus Gesamtschule)

"Der Bildungsföderalismus muss konsequent weiterentwickelt werden, so dass künftig in allen Ländern gleiche Bildungsstandards gelten und Schulabschlüsse vergleichbar werden." [...]

"Für diese Reform brauchen wir parteiübergreifend den Willen der Länder.[...]"

(RP-Online 15.01.2011: Schavan fordert nationale Bildungsstandards)

"Es ist nur natürlich, dass in Zeiten der Globalisierung und Internationalisierung der Föderalismus kritisch befragt wird. Wir müssen uns diesen kritischen Fragen stellen. Der Föderalismus darf weder als Mobilitätshemmnis wirken, noch dürfen die damit verbundenen Strukturen im internationalen Wettbewerb leistungsbehindernd sein. Gerade hier, bei der Frage der Leistungsfähigkeit eines Bildungswesens wirkt sich nach meiner festen Überzeugung der Föderalismus positiv aus. Er erlaubt und will den Wettbewerb um die besten Ideen und Lösungswege. Die vom Bildungswesen erwarteten Modernisierungs- und damit verbundenen Veränderungsprozesse aber lassen sich am ehesten im Wettbewerb erfüllen."

(Antrittsrede der Ministerin für Kultus, Jugend und Sport des Landes Baden-Württemberg, Dr. Annette Schavan, anlässlich der Übernahme der Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz
am 16. Januar 2001 (PDF)
, S. 2f)

"In solcher Form fördert der Föderalismus die Kleinstaaterei und ist kein Freund der Globalisierung"

(ZEIT online 09.12.2009: Schavan: Föderalismusreform war ein ‘Fehler’)

Glaubwürdig ist Annette Schavan (CDU) also beim besten Willen nicht. Selbst wenn sie es wäre: Sie wird an der gleichen Kleingeistigkeit scheitern, die sie früher selbst als Kultusministerin Baden-Württembergs an den Tag legte. Das ist eigentlich schade - nichts könnte dem deutschen Bildungssystem wohler tun als eine nationale Einheitlichkeit, wie Annette Schavan (CDU) sie heute fordert.

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Kommentare

2

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  • #1

    Dass Frau Schawan schon immer mehr ihre eigene Karriere als gute Bildung im Sinn hatte, beweist sie mit dieser Wandlung einmal mehr. Immer schön die eigene Position stärken - als Landesministerin den Föderalismus über alles stellen, als Bundesministerin eben den Zentralismus. Die Inhalte (sprich: konkrete politische Ziele) lassen sich einem solchen übergeordneten Ziel anpassen.

    @raik: Danke für diese Verteidigung des föderalistischen Systems! Im Bildungswesen wird viel zu viel experimentiert (worin übrigens Frau Schawan in BW eine absolute Meisterin war: mal eben ein paar Reformen anordnen, die Schulen damit alleine lassen, sehen, was dabei rauskommt), als dass man das auf die Bundesebene übertragen sollte.

    schrieb Musikmeyer am

  • #2

    Ich teile die Meinung des Artikels über den Bildungsföderalismus absolut nicht und möchte anmerken, dass dieser einen sehr entscheidenden Vorteil hat: Es ist Politikern dank der föderalen Struktur nahezu unmöglich, die schulische Bildung gleich in der gesamten Republik gegen die Wand zu fahren.

    Wie jedes System, das auf eine Konkurrenz alternativer Ansätze setzt, bringt der Bildungsföderalismus Mehraufwand mit sich, der sich z.B. in unterschiedlichen Schulbüchern, erschwerten Bildungsanschlüssen beim Umzug zwischen Bundesländern und ganz allgemein in Mehrkosten zeigt.

    Auch beispielsweise die freie Marktwirtschaft, basierend auf der Konkurrenz verschiedener Produkte um Kunden, bringt - verglichen mit einer idealen Planwirtschaft - derartigen Mehraufwand mit sich. Nur ist eine dauerhaft gute Planwirtschaft leider eine Utopie. Eine dauerhaft gute Bundesbildungspolitik - so befürchte ich - ist das auch.

    Der Bildungsföderalismus sorgt dafür, dass in der Bundesrepublik fortlaufend verschiedene Bildungsansätze konkurrierend getestet und - gerade wegen des in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlichen politischen Willens - viele neue Ideen und neue Wege ausprobiert werden.

    Darunter sind sicherlich auch Irrwege, die aber dann niemals gleich eine schwächer gebildete Schülergeneration für das ganze Bundesgebiet hervorbringen, sondern nur einen eher zu verkraftenden Teil der bundesdeutschten Jugendlichen betreffen.

    Ich halte den föderalen Wettbewerb verschiedener Bundesländer (und derer Regierungen) um das beste Bildungskonzept in der heutigen Zeit, in der Bildung zum entscheidenen Wirtschaftsgut eines Staates avanciert, für einen klaren Standortvorteil Deutschlands. Genau so, wie man auch Energie- oder Wasserversorgung nur ungerne in der Hand eines einzigen Unternehmens sehen würde, wäre die Bildung als ein überlebenswichtiges Gut in der Hand eines einzigen Bundeskultusministeriums auf Dauer nicht gut aufgehoben.

    Den Teilsatz “nichts könnte dem deutschen Bildungssystem wohler tun als eine nationale Einheitlichkeit” halte ich also für deutlich zu einfach gedacht. Die Aussage “Diese Struktur verhindert nachhaltig Innovation” vor allem aufgrund des Ausdrucks “nachhaltig” für besonders falsch.

    Die Aussage, dass Frau Schavan anbetrachts dieses Meinungswandels wenig glaubwürdig wirkt, erscheint mir hingegen gut belegt.

    schrieb raik am

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