Vom Saulus zum Paulus
Wundersame Wandlung: Schavan hat dem Föderalismus abgeschworen 16.01.2011, 21:10
Als Kultusministerin Baden-Württembergs hat Annette Schavan (CDU) dem Föderalismus im Bildungssystem den Rücken gestärkt; seit sie Bundesbildungsministerin ist, sieht sie plötzlich alles ganz anders und wirbt um nationale Einheitlichkeit im Bildungswesen. Leider hat sie als Bundesbildungsministerin wesentlich weniger Macht als früher. Spaenle & Co werden ihren Vorstoß amüsiert zur Kenntnis nehmen - und wieder tut sich nichts.
Im deutschen Bildungssystem kocht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen - das nennt man “Bildungsföderalismus”. Deutschlandweit gibt es etwa 3000 verschiedene Lehr-/Bildungspläne, für jedes Bundesland gibt es unterschiedliche Schulbücher, unterschiedliche Prüfungsrichtlinien, unterschiedliche Namen für Fächer und unterschiedliche Fächerverbünde. Diese Struktur verhindert nachhaltig Innovation und sorgt für sinnlose Kosten. Der Föderalismus gehört zu den größten Mängeln im deutschen Bildungssystem.
Doch die eitlen Kultusminister/innen möchten keine Kompetenzen abgeben und stärken dem Bildungsföderalismus den Rücken - wie einst Annette Schavan (CDU), die als Kultusministerin Baden-Württembergs gegen die Aufweichung föderalistischer Strukturen agitiert hat. Unvergessen ist ihr Engagement bei der Föderalismusreform I, die sie inzwischen als “Crash” bezeichnet. Heute ist Annette Schavan Bundesbildungsministern und beschwört die bundesweite Einheitlichkeit im Bildungswesen: Sie fordert bundesweit gültige Schulbücher, jüngst hat sie für nationale Bildungsstandards geworben. Eine höchst verblüffende Wandlung - einige Beispiele gefällig? (Hervorhebungen Lehrerfreund)
Annette Schavan (CDU), Kultusministerin Baden-Württemberg 1995-2005, Befürworterin des Bildungsföderalismus | Annette Schavan (CDU), Bundesbildungsministerin BRD (seit 2005), Gegnerin des Bildungsföderalismus |
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Holzapfel:[...] Ich plädiere für einen nationalen Bildungsrat, dem Experten aller Gesellschaftsgruppen angehören [...] Schavan: Herr Holzapfel, wir haben 16 Kultusminister, die diesen Job erledigen sollten. Wenn wir jetzt noch Leute von draußen brauchen, die wieder fünf Jahre diskutieren, bis sie uns im Schloß Bellevue einen ersten Zwischenbericht vorlegen, machen wir uns unglaubwürdig. Ich setze da schon auf unseren Föderalismus. Einen nationalen Lehrplan wird es nicht geben. | "Der Bildungsföderalismus muss konsequent weiterentwickelt werden, so dass künftig in allen Ländern gleiche Bildungsstandards gelten und Schulabschlüsse vergleichbar werden." [...] "Für diese Reform brauchen wir parteiübergreifend den Willen der Länder.[...]" (RP-Online 15.01.2011: Schavan fordert nationale Bildungsstandards) |
"Es ist nur natürlich, dass in Zeiten der Globalisierung und Internationalisierung der Föderalismus kritisch befragt wird. Wir müssen uns diesen kritischen Fragen stellen. Der Föderalismus darf weder als Mobilitätshemmnis wirken, noch dürfen die damit verbundenen Strukturen im internationalen Wettbewerb leistungsbehindernd sein. Gerade hier, bei der Frage der Leistungsfähigkeit eines Bildungswesens wirkt sich nach meiner festen Überzeugung der Föderalismus positiv aus. Er erlaubt und will den Wettbewerb um die besten Ideen und Lösungswege. Die vom Bildungswesen erwarteten Modernisierungs- und damit verbundenen Veränderungsprozesse aber lassen sich am ehesten im Wettbewerb erfüllen." | "In solcher Form fördert der Föderalismus die Kleinstaaterei und ist kein Freund der Globalisierung" (ZEIT online 09.12.2009: Schavan: Föderalismusreform war ein ‘Fehler’) |
Glaubwürdig ist Annette Schavan (CDU) also beim besten Willen nicht. Selbst wenn sie es wäre: Sie wird an der gleichen Kleingeistigkeit scheitern, die sie früher selbst als Kultusministerin Baden-Württembergs an den Tag legte. Das ist eigentlich schade - nichts könnte dem deutschen Bildungssystem wohler tun als eine nationale Einheitlichkeit, wie Annette Schavan (CDU) sie heute fordert.