Vergleichsstudie Computerkompetenz
ICILS-Studie 2013: Mädchen sind computerkompetenter als Jungen 27.11.2014, 11:46
Die internationale ICILS-Studie testete Achtklässler/innen auf ihre "computer- und informationsbezogene Kompetenzen" - sozusagen ein Computer-PISA. Deutschland liegt im Mittelfeld, jede/r dritte Achtklässler/in erreicht nur niedrigste Niveaustufen. Aber fast am interessantesten: In allen Ländern haben die Mädchen deutlich besser abgeschnitten als die Jungen.
Nach PISA & Co wurde am 20.11.2014 die erste internationale Vergleichsstudie ICILS (International Computer and Information Literacy Study) zu Computerkompetenzen von Achtklässler/innen vorgestellt. In Deutschland leiteten die Studie Prof. Wilfried Bos und Prof. Birgit Eickelmann. Wilfried Bos ist kein Anfänger, man kennt ihn von zahlreichen anderen Leistungsstudien, u.a. PISA, IGLU, TIMSS, PIRLS und DESI.
ICILS 2013: Was/wie wurde getestet
In 21 Ländern wurden Achtklässler/innen bezüglich ihrer "computer- und informationsbezogenen Kompetenzen" getestet und befragt; befragt wurden außerdem ihre Lehrer/innen (gesamt in Deutschland: 2.225 Schüler/innen, 1.386 Lehrer/innen, 142 Schulen, April-Juli 2013). Untersucht wurden diese 21 Bildungssysteme: Australien, Chile, Dänemark, Deutschland, Hongkong, Kroatien, Litauen, Niederlande, Norwegen (Jgst. 9), Polen, Russische Föderation, Republik Korea, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien, Thailand, Tschechische Republik, Türkei, außerdem einzelne Regionen in Argentinien (Buenos Aires), Kanada (Neufundland und Labrador), Kanada (Ontario).
Die Schüler/innen bearbeiteten die Tests in 2 x 30 Minuten an von den Testleiter/innen mitgebrachten Laptops. Sie mussten Aufgaben auf vier Kompetenzstufen lösen (Beispiel siehe unten). Außerdem wurden Schüler/innen, Lehrer/innen, Schulleitung und technisches Personal mit unterschiedlichen Fragebögen befragt (mehr: ICILS 2013 auf einen Blick - Presseinformationen zur Studie und zu zentralen Ergebnissen (PDF), S. 14).
Sie finden hier eine kurze Übersicht über die Leistungen der Schüler/innen (dieses Thema war das zentrale Anliegen der Studie). Mindestens genau so interessant sind jedoch die Ergebnisse, die durch die Befragung der Lehrer/innen zustande kamen (Häufigkeit der IT-Nutzung im Unterricht, Bedenken gegenüber IT-Einsatz im Unterricht usw.). Wir werden dieses Thema hier in den nächsten Tagen vorstellen. Dass in deutschen Klassenzimmern der Computer selten eingesetzt wird und die Lehrer/innen schlecht im Umgang mit IT ausgebildet sind, dürfte einer der Hauptgründe für das mittelmäßige Abschneiden der Achtklässler/innen in Deutschland sein.
Zentrale Ergebnisse der ICILS 2013-Studie: Leistungstests
Deutschland befindet sich mit einem Leistungsmittelwert von 523 Punkten im mittleren Bereich der Rangreihe der Länder, signifikant über dem internationalen Durchschnitt (500) und knapp unter der EU-Vergleichsgruppe (523 Punkte).
- Die Ergebnisse der Studie ICILS 2013 machen deutlich, dass die weit verbreitete Annahme, Kinder und Jugendliche würden durch das Aufwachsen in einer von neuen Technologien geprägten Welt automatisch zu kompetenten Nutzerinnen und Nutzern digitaler Medien, nicht zutrifft.
- Entwicklungsbedarfe zeigen sich für Deutschland vor allem aufgrund der geringen Anteile an Schülerinnen und Schülern auf der höchsten Kompetenzstufe. Zudem erreichen etwa 30 Prozent der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland nur die untersten beiden Kompetenzstufen I und II. […]
- Insbesondere Jungen aus Familien mit wenigen kulturellen und ökonomischen Ressourcen, die Schulen besuchen, die nicht oder nicht ausschließlich einen gymnasialen Bildungsgang anbieten, zählen derzeit zu der Schülergruppe, die zu einem hohen Anteil besorgniserregend geringe computer- und informationsbezogene Kompetenzen aufweist.
Jungen aus bildungsfernen Schichten schneiden massenhaft besonders schlecht ab; noch ist unklar, welche Rolle Defizite bei der Lesekompetenz hier spielen. Das Leseverständnis wurde im Rahmen der ICILS erhoben, im März 2015 wird eine entsprechend erweiterte Auswertung der ICILS-Ergebnisse vorgenommen.
Mädchen schneiden in allen Ländern besser ab
Fast am interessantesten aber dürfte die Erkenntnis sein, dass sich in allen ICILS-2013-Teilnehmerländern "ein Leistungsvorsprung der Mädchen ab[zeichnet], der in der überwiegenden Mehrheit der Länder signifikant ist " (S. 28). In Deutschland liegt die mittlere Leistungsdifferenz zwischen Mädchen und Jungen bei 16 Punkten; Spitzenreiter diesbezüglich ist die Republik Korea (38 Punkte), Kanada (35 Punkte) und Slowenien (29 Punkte), der EU-Schnitt liegt bei 17 Punkten (Tabelle S. 29).
Jungen aus bildungsfernen Schichten schneiden schlecht ab, Mädchen grundsätzlich besser - das fühlt sich fast so an, als hätte man nicht die Computerkompetenzen getestet, sondern die Lesekompetenz. Warten wir die Zusatzauswertung ab.
Beispielaufgaben der ICILS-Studie
Wer eine Aufgabe im Detail betrachten möchte und des Englischen mächtig ist, kann das hier bei einer interaktiven Demonstration einer Beispielaufgabe tun: IEA: ICILS 2013 Example Student Test Module. Die Schüler/innen hatten 30 Minuten Zeit für die Aufgabe, die interaktive Demonstration dauert etwa 5 Minuten und deckt alle Kompetenzniveaus ab.
Eine vollständige Beispielaufgabe zur Kompetenzstufe III ist in der ICILS 2013 auf einen Blick - Presseinformationen zur Studie und zu zentralen Ergebnissen (PDF) auf Seite 17 zu finden. Man beachte, dass die Hälfte der Achtklässler/innen in Deutschland NICHT in der Lage ist, diese Aufgabe zu lösen (entspricht dem internationalen Durchschnitt):
Die Schülerinnen und Schüler lesen im unteren Bereich der Seite die Aufgabenstellung „Gehe zur WebDocs Internetseite“.
Um die abgebildete Aufgabe richtig zu lösen, müssen die Schülerinnen und Schüler eine URL-Adresse aufrufen, die in der angezeigten E-Mail als Klartext, aber nicht als Hyperlink (also nicht direkt zum Anklicken) enthalten ist.
Sie müssen daher den Text in die Adressleiste des Internetbrowsers eingeben – entweder mit den Befehlen Kopieren und Einfügen oder durch Eingabe des Textes in die entsprechende Zeile – und danach die Navigation aktivieren (durch Bedienen der Enter-Taste oder durch das Anklicken des grünen Pfeils neben der Adressleiste).
Weitere Beispielaufgaben finden Sie im Berichtsband der ICILS-Studie 2013 (PDF), S. 53f, S. 97-102