'Dialogforen', 'Gelenkklassen' und 'Flexiljahr"
Bayerns Kultusminister Spaenle: ‘Minister der Wortschöpfungen” 08.08.2013, 14:13
Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle gehört zu den umstrittensten Gestalten der politischen BIldungswelt. Nun rechnen die Grünen mit ihm ab: Statt innovativer Politik habe er nur Worthülsen erzeugt.
Spaenle gehört zu den eher elitaristischen Bildungspolitikern - ein echter Hardliner und eine der zentralen CSU-Figuren. Als Ur-Bayer verteidigt er das ineffiziente System des Bildungsföderalismus mit Händen und Füßen. Pleiten seiner Politik übertüncht er gekonnt (z.B. G8? G9? Bayern führt G 8,5 ein!).
Dass er ein Meister im Übertünchen ist, hält die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen im bayerischen Landtag in einer Pressemitteilung fest. Er habe die Welt vor allem reichhaltig mit Wortschöpfungen bedient - nicht aber mit neuer Politik:
Wenn etwas von der Ära Spaenle übrig bleibt, dann ist es die Erinnerung am Erfindungsreichtum bezüglich neuer Namen im bayerischen Bildungssystem.
Beispiele für Spaenles Wortschöpfungen
Die "Mittelschule", zusammengeschlossen in "Mittelschulverbünden", wird in "Dialogforen" diskutiert
Das Umbenennen von Hauptschulen liegt im Trend. Auch Bayern hat nicht Halt gemacht und die Mittelschule eingeführt. Nach Meinung der Grünen leider nichts weiter als heiße Luft, so viele Foren und Verbünde man auch einführt:
Es hat sich leider gezeigt, dass die Mittelschulverbünde das Sterben der Hauptschulen nicht aufhalten, bestenfalls etwas verzögern können.
Dreigliedrigkeit behalten - mit dem "Übertrittskorridor"/"Übertrittsphase" und "Gelenkklassen"
Zu den umstrittensten Themen des deutschen Schulwesens gehört die frühe Trennung in dumm und schlau schon nach der vierten Klasse. Die Klasse 5 dient als "Gelenkklasse" und soll den Schüler/innen die Möglichkeit geben, "den gewählten Bildungsweg zu reflektieren." (ISB Bayern: Allgemeine Informationen zur Gelenkklasse). Die "Begleit- und Unterstützungsmaßnahmen" in der Gelenkklasse lassen sich dann so formulieren:
Um die schulartspezifischen Zielsetzungen der Gelenkklassen umzusetzen, stehen den jeweiligen schulischen Anforderungsprofilen und Rahmenbedingungen der weiterführenden Schularten entsprechend die im Folgenden dargestellten Maßnahmen und flexibel einsetzbaren Förderelemente zur Verfügung.
Wenn die Maßnahmen genau so brachial sind wie dieser Satz, kann alles nur gut werden. Aber ach ... Aus Sicht der Grünen scheint es nicht so weit her zu sein mit der Gelenkklasse - ein Begriff, "der nach vier Jahren an den Schulen mangels Realitätsbezug schon wieder vergessen worden ist."
"Intensivierungsjahr", "flexible Lernzeiten", "Flexijahr"
Ein Kind mit vielen Namen. Die Rückkehr zum G9 tarnen alle Politiker/innen gerne, Spaenle hat es ganz besonders originell gemacht mit der freiwilligen Wiederholerei:
Einfallsreich ist auch die Reihe neuer Begriffe zur Dauerbaustelle G8. Das G8 wird ständig optimiert: neueste Errungenschaft ist das Flexijahr, das zunächst Intensivierungsjahr hieß, dann flexible Lernzeiten und schließlich nun Flexibilisierungsjahr heißt. Das Fazit der Experten: Konzept nicht umsetzbar, faktisch ist es eine Variante des freiwilligen Wiederholens mit neuem Namen, an den Problemen des derzeitigen achtjährigen Gymnasiums änderte das aber nichts.
Viele Worte, keine Taten
Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele, die zu diskutieren wir hier überdrüssig sind: "Bildungsregion", "Kooperationsmodelle", "neue Lehrerstellen" ...
Die Tarnung politischer Handlungsunfähigkeit wird von Politiker/innen gerne durch Wortkreationen verdeckt. Alleine die Verschleierung des Begriffs "Hauptschule" wäre einer Habiliationsschrift würdig: Realschule plus, Mittelschule, Werkrealschule, Sekundarschule, Integrierte Sekundarschule, Erweiterte Realschule, Regionale Schule ...
Spaenle, der Meister der leeren Worte, war übrigens auch in die Beschäftigungsaffäre verstrickt: Im bayerischen Landtag beschäftigten zahlreiche Abgeordnete Verwandte und Ehepartner/innen. Auch Spaenle hatte seine Ehefrau als Mitarbeiterin beschäftigt. In der Presse liest sich das als "Beschäftigungsaffäre" "Abgeordneten-Affäre", "Amigo--Affäre" oder "Familienhilfe".
Das sind keine schönen Begriffe. Vielleicht fällt dem Kultusminister Spaenle ja eine bessere Bezeichnung ein?