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Weniger Elternstress, heterogene Schüler

Der Unterschied zwischen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen 09.02.2023, 14:16

Grundschüler links, Berufsschüler rechts
Bild: pixabay / akshayapatra (Montage) [CC0 (Public Domain)]

Eine Darstellung der wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Schulformen. Außerdem Eindrücke einer angehenden Referendarin, die sowohl ins allgemeinbildende als auch ins berufsbildende Schulwesen hineingeschaut hat. Sie hat sich letztlich für das Referendariat an einer beruflichen Schule entschieden und erläutert ihre Gründe dafür.

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  • (geändert: )
Originalbeitrag vom 17.07.2013, Aktualisierung + Überarbeitung 09.02.2023

Inhaltsübersicht

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Definition: Berufliche und allgemeinbildende Schulen
Wesentliche Unterschiede zwischen diesen Schulformen
Eindrücke aus der Praxis einer Lehramtsstudentin

Definition: Berufliche und allgemeinbildende Schulen

Als berufsbildende Schule bezeichnet man Schulformen, die mit einem beruflichen oder einem berufsorientierten Abschluss enden: Berufsschulen der dualen Berufsausbildung ("Lehre"), Meisterkurse, Berufskollegs, Akademien, Berufsfachschulen, aber auch Schulformen, die zum Abitur führen, z.B. Fachoberschulen oder berufliche Gymnasien unterschiedlicher Schwerpunkte (z.B. WG = Wirtschaftsgymnasium, TG = Technisches Gymnasium usw.). Die klassische "Berufsschule", wo Lehrlinge hingehen, ist also nur ein Teil des beruflichen Schulwesens. Wer eine erste Orientierung über den an Berufsschulen wehenden Wind benötigt, der kann sich Tom Sharpes »Puppenmord« durchlesen.

Als allgemeinbildende Schulen dagegen bezeichnet man die nicht berufsorientierten Schulformen wie Grundschulen, Hauptschulen (und ihre Attrappen: Realschule plus, Mittelschule, Oberschule, Werkrealschule usw.), Realschulen, Gymnasien, Gesamtschulen, Förderschulen, Abendgymnasien usw.

Im Schuljahr 2021/2022 besuchten 8,4 Millionen Schüler/innen eine allgemeinbildende Schule, 2,3 Millionen besuchten eine berufliche Schule (mehr Zahlen: Statistisches Bundesamt: Übersichtsseite »Schulen«).

Für Referendar/innen allgemeinbildender Fächer (Deutsch, Englisch, Mathematik, Physik usw.) besteht je nach Bundesland die Möglichkeit, im beruflichen Schulwesen Fuß zu fassen oder umgekehrt. In Baden-Württemberg bspw. müssen Referendar/innen, die im beruflichen Bereich ausgebildet wurden, eine zusätzliche Lehrprobe in der Sekundarstufe I absolvieren, um die Lehrberechtigung für die Sekundarstufe I und damit an allgemeinbildenden Schulen zu erhalten.

Grundschülerin und Elektriker
Bild: Shutterstock

Die wesentliche Unterschiede

Die folgenden Ausführungen zeigen Tendenzen. Vor allem die an einer berufsbildenden Schule vertretenen Schularten haben hier starken Einfluss. An Schulzentren, wo ausschließlich Berufsschulen (duales System) angesiedelt sind, wird man Eltern wesentlich seltener sehen als an solchen, wo die beruflichen Gymnasien (evtl. auch 6-jährige Gymnasien ab Klasse 8) stark vertreten sind.

1) Die Schüler/innen

Im beruflichen Schulwesen hat man es oft mit etwas ruppigerem Klientel zu tun, vergleichbar vielleicht mit der Hauptschule - das betrifft v.a. handwerkliche Berufe an der Berufsschule und besonders berufsvorbereitende Formen (AV Dual, BVJ/BEJ, VAB/VABO usw.). Auch die Fehlquote ("schwänzen") dürfte an beruflichen Schulen ziemlich hoch liegen, was zu erhöhtem Verwaltungsaufwand führt.

- Alter der Schüler/innen

Der wesentliche Unterschied zur Hauptschule und ihren Derivaten: An beruflichen Schulen sind die Schüler/innen meist über den Höhepunkt der Pubertät hinweg - i.d.R. beginnt die Altersspanne bei 15 Jahren, die überwiegende Mehrzahl der Schüler/innen ist 16 und älter (Ausnahme: 6-jährige berufliche Gymnasien). Der disziplinarische Aspekt ist an beruflichen Schulen nicht so anstrengend wie an allgemeinbildenden - letztlich diskutiert man mit Erwachsenen, und die Beschwerde beim Ausbildungsbetrieb gilt als überaus wirksames Druckmittel. Viele Kolleg/innen an allgemeinbildenden Schulen genießen jedoch die erfrischende Arbeit mit den jüngeren Schüler/innen; diese fällt im beruflichen Schulwesen komplett weg.

- Fachlicher Anspruch

In den meisten Bundesländern wird das Lehramt an beruflichen Schulen von der gymnasialen Ausbildung bedient (häufige Ausnahmen: Technische Lehrkräfte für bspw. Kfz, Holz, Elektro). Referendar/innen aus einem gymnasial orientierten Lehramtsstudium stehen vor der Wahl zwischen dem allgemeinbildenden und beruflichen Schulwesen, sofern sie nicht (nur) Fächer des beruflichen Profils im Portfolio haben (Wirtschaft, Agrarbiologie usw.). Der Unterschied zwischen allgemeinbildenden Gymnasien und Berufsschulen ist, was den fachlichen Anspruch in allgemeinbildenden Fächern betrifft, deutlich. Auch in der gymnasialen Oberstufe dürfte das fachliche Niveau merklich unter dem an allgemeinbildenden Gymnasien liegen - obwohl das Abitur vom Anspruch her ungefähr vergleichbar ist.
Das Leistungsniveau ist in den meisten Klassen wesentlich heterogener als am allgemeinbildenden Schulwesen. In einigen Berufen (z.B. Zimmermänner, Steinmetze) mischen sich regelmäßig Abiturient/innen oder gar fertig Studierte mit Absolvent/innen der Hauptschule. Das bringt in manchen Klassen auch eine große Altersspanne mit sich. Zu den beruflichen Gymnasien (Technisches Gymnasium, Wirtschaftsgymnasium etc.) kommen viele Schüler/innen vom Hauptschulabschluss (oder wie immer er je nach Bundesland heißt) über berufsorientierte Schularten (wo bspw. in zwei Jahren die Mittlere Reife/Realschulabschluss gemacht wird).

- Schulbesuchsdauer

Eine allgemeinbildende Schule besuchen die Schüler/innen i.d.R. mehrere Jahre, am Gymnasium mindestens acht Jahre (Klassen 5 bis 12), an Haupt- und Realschulen fünf bzw. sechs Jahre (Klassen 5 bis 9 bzw. 10). An beruflichen Schulen dagegen ist die Halbwertszeit der Schülerschaft wesentlich kürzer: Lehrlinge im dualen System sind nach drei Jahren wieder weg, der Erwerb des berufsbezogenen Abiturs in der gymnasialen Oberstufe dauert zwei oder drei Jahre. Berufsvorbereitende Formen wie Fachschulen, Berufskollegs (BW) oder BVJ/VAB sind auf ein oder zwei Jahre begrenzt.

Bei der Abifeier am allgemeinbildenden Gymnasium kennt man die Schüler/innen besser; vielleicht erinnert man sich, wie ein Schüler vor fast zehn Jahren als bebrilltes, schüchternes Kindchen seine ersten Worte Englisch sprach - und nun ist aus ihm ein richtiger erwachsener Mann geworden, der in breitem texanischem Akzent vor sich hin brummt. An den meisten beruflichen Schulen werden die Lehrer/innen schon ganz sentimental, wenn sie ein/e Schüler/in länger als drei Jahre kennen. Entsprechend entstehen im beruflichen Schulwesen weniger feste soziale Strukturen.

- Pädagogische Verantwortung

Der Umgang mit Kindern und Pubertierenden bringt eine wesentlich höhere pädagogische Verantwortung mit sich als der Umgang mit jungen Erwachsenen. Vereinbarungen wie "dreimal keine Hausaufgabe = eine Sechs" können mit einem unfertigen Fünftklässler nicht einfach so durchgezogen werden - zu groß ist die pädagogische Verantwortung, die man als Lehrer/in für den Schützling übernommen hat.

2) Die Kolleg/innen

Nicht nur die Schülerschaft, auch das Kollegium weist eine etwas unterschiedliche Mentalität auf. Der Alltag an beruflichen Schulen läuft grundsätzlich sehr geerdet ab - niemand erwartet von den Fliesenlegern im 2. Lehrjahr, dass sie am Wochenende in der Bibliothek nochmal Goethes Jugend recherchieren oder die Mindmap zu "Der dreißigjährige Krieg - Eine Vorform globaler Konflikte?" fertigstellen. Und niemand ist ernstlich verwundert, wenn mal auf dem Schulhof ein/e Schüler/in beim Dealen von Gras auffliegt. An einem Elitegymnasium kann solch ein Vorfall die Gemüter erhitzen.

Die Erwartungen der beruflichen Kolleg/innen sind somit häufig sehr zielgerichtet und orientieren sich bspw. an der beruflichen Realität oder an angestrebten Abschlüssen. Während an allgemeinbildenden Schulformen oft eine hohe Dynamik herrscht, was fachlichen Anspruch oder pädagogische Neuerungen betrifft, sind viele Kolleg/innen an beruflichen Schulen eher als pragmatisch zu bezeichnen.

3) Eltern

An allgemeinbildenden Schulen sind die Eltern Teil des pädagogischen Prozesses - das betrifft vor allem Grundschulen und Gymnasien. An allgemeinbildenden Gymnasien vergeht oft keine Woche, in der ein/e Lehrer/in nicht einen Elternanruf bekommt, die Elternabende sind meistens richtig voll.

Das ist erfreulich, denn der Arbeitserfolg verbessert sich massiv, wenn Eltern und Lehrer/innen in Kontakt stehen und gemeinsam an einem Strang ziehen. Allerdings kann intensiver Elternkontakt auch zu anstrengenden Szenen führen - wenn man gemeinsam mit einem verspannten Vater die mündliche Note auf ein Hundertstel genau durchdiskutiert, während auf dem Tisch das Abendessen erkaltet.

An beruflichen Schulen integrieren sich viele Eltern nicht so sehr in den Werdegang ihrer Sprösslinge. Das wird von vielen Kolleg/innen als befreiend empfunden; es hat jedoch (wie in Hauptschulen/Werkrealschulen/…) auch eine deprimierende Dimension zu sehen, wie wenig Eltern am Werdegang ihrer Kinder partizipieren. Dies wird von vielen Lehrer/innen als um so deprimierender wahrgenommen, je jünger die Kinder sind.

4) Prüfungen

Für jeden Abschluss, der an einer Schule erreicht werden kann, gibt es i.d.R. einmal jährlich eine Prüfung. An allgemeinbildenden Schulen ist das meistens ein Prüfungstermin im Jahr (Hauptschulabschluss u.ä.; Mittlere Reife; Abitur ...), während an berufsbildenden Schulen hier mehrere Prüfungstermine anstehen. Bei einer mittelgroßen berufsbildenden Schule mit 1000 Schüler/innen finden zusätzlich zu den normalen Zeugnisterminen sechs, sieben oder mehr Prüfungen statt. Das bedeutet wesentlich mehr Stress, was Korrekturen, Aufsichten, mündliche Prüfungen, Noteneintragsfristen usw. betrifft. Allerdings sind viele Klassen in den letzten Schulwochen nicht mehr anwesend, was eine gewisse Erleichterung mit sich bringt (sofern die Schule nicht irgendein abartiges Arbeitszeitmodell beschlossen hat, in dem die ausfallenden Stunden anderweitig kompensiert werden müssen).

Der Verwaltungsaufwand ist an beruflichen Schulen wesentlich höher; Fächer wie Religion, Deutsch oder Geschichte/Politik werden an Berufsschulen in den meisten Bundesländern einstündig unterrichtet. Lehrer/innen können also bis zu 30 Klassen [sic] unterrichten und entsprechend zum Schul(halb)jahresende rund 2.000 Noten in die Notenlisten eintragen (Fachnote, Mitarbeit, Verhalten). Dafür ist die Diskussion um die Noten oft nicht so ausgeprägt (s.o. "Eltern").

5) Konferenzen

Die Konferenzfrequenz ist an vielen beruflichen Schulen deutlich niedriger als an allgemeinbildenden. Das hängt natürlich auch von der Schulleitung und der Schulsituation ab. Curriculare oder pädagogische Diskussionen verlaufen an beruflichen Schulen i.d.R. jedoch sehr übersichtlich.

6) Schulleben / Kultur

An vielen allgemeinbildenden Gymnasien herrscht ein reges kulturelles Leben: Theater-AG, Orchester, Chor, Schülerzeitung usw. An beruflichen Schulen ist dies deutlich weniger verbreitet, sofern sich nicht einzelne Lehrer/innen stark engagieren.

Eindrücke aus der Praxis einer Lehramtsstudentin

Saskia L. hat ihr Lehramtsstudium abgeschlossen und dabei Praktika sowohl an beruflichen als auch an allgemeinbildenden Schulen absolviert. Für den Lehrerfreund schildert sie ihre Eindrücke und begründet, warum sie sich für ein Referendariat im beruflichen Schulwesen entschieden hat. Danke für diese interessanten Einblicke!

»Meine Eindrücke vom beruflichen Schulwesen«

Wir fragten nach den spontanen, subjektiven Eindrücken über den Unterschied zwischen dem beruflichen und allgemeinbildenden Schulwesen.

»In den Klassen herrscht eine wesentlich höhere Heterogenität als an allgemeinbildenen Schulen. Die Schüler/innen kommen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Bildungsniveaus, da sich im beruflichen Schulwesen unterschiedliche Bildungsgänge vereinen.

Die Tätigkeit an beruflichen Schulen ist sehr abwechslungsreich, da sich verschiedene Schultypen unter einem Dach vereinen. Es gibt ein breites Spektrum an Abschlüssen, die vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur reichen.

Die Lehrer/innen stehen vor hohen Herausforderungen: Sie müssen ...

  • ... unterschiedliche Leistungsniveaus innerhalb von kurzer Zeit auf einen gemeinsamen Nenner bringen (z.B. in der Eingangsklasse (Klasse 11) des beruflichen Gymnasiums).
  • ... Gruppenzusammenhalt bzw. ein positives Arbeitsklima schaffen, da sich die Schülerinnen und Schüler, die von verschiedenen Schulen kommen, oftmals nicht kennen.
  • ... die Schülerinnen und Schüler aktivieren und motivieren, da auch viele dabei sind, die diesen schulischen Weg nur gehen, weil sie keine Ausbildungsstelle bekommen haben.

Die Lehrer/innen benötigen eine ordentliche Portion Schlagfertigkeit ;-)

Von den Schülerinnen und Schülern wird mehr Eigenverantwortung und Selbstständigkeit erwartet.«

»Warum ich mich dafür entschieden habe, das Referendariat an einer beruflichen Schule zu absolvieren«

»Besonders die höhere Heterogenität der Schülerinnen und Schüler sowie das breite Spektrum an Abschlüssen, die an beruflichen Schulen angeboten werden und damit auch den Lehreralltag interessanter gestalten, interessieren mich mein Referendariat am beruflichen Schulwesen zu absolvieren. Außerdem bevorzuge ich den Umgang wie auch die Zusammenarbeit mit älteren Schülerinnen und Schülern, was ebenfalls für den beruflichen Schulzweig spricht. Betrachtet man zusätzlich den aktuellen Arbeitsmarkt, so wird ersichtlich, dass die Einstellungschancen für Berufsschullehrer momentan besser liegen als für Gymnasiallehrer. Um mir jedoch die Tür zum allgemeinbildenden Gymnasium offen zu lassen, werde ich im Referendariat noch die Zusatzausbildung für das allgemeinbildende Gymnasium beantragen.«

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Kommentare

15

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  • #1

    @Martin

    Tolle Zusammenfassung, danke! Ich denke, gerade die flexiblen Möglichkeiten sind sehr interessant (»wissenschaftliches« vs. »pädagogisches« Arbeiten).

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #2

    Berufliches Schulwesen - ich kann mir nichst schöneres vorstellen!!!
    Das Altersspektrum:
    15 bis 35 (Meister/Techniker) - spannend!

    Das pädagogische Arbeiten:
    VAB - BEJ - Berufsschule - ... im allgemeinen Gymnasium nicht vorstellbar.

    Die Ausstattung:
    immer aktuell und oft in Zusammenarbeit mit dualen Partnern geplant und besprochen

    Die Vorbereitungsräume/Büros:
    Was will man mehr ...

    Die Elternarbeit:
    schwierig - im VAB/BEJ kommen oft nur wenige Eltern.
    Kein Wunder, dass manche SuS so sind wie sie sind ...

    Das Kollegium:
    KuK mit vielfältigsten, beruflichen Werdegängen. Nur wenige, die von der Schule, zum Studium gehen und danach wieder direkt in der Schule landen.

    Die Möglichkeiten:
    Will man mehr ‘wissenschaftlich’ arbeiten - geht man zu den Technikern, Meistern oder Gymnasien (AG, SG, WG, TG, ITG, ...).
    Hat man mehr Interesse an der pädagogischen Arbeit, dann bietet das VAB und BEJ alle Möglichkeiten zur Verwirklichung.

    schrieb Martin am

  • #3

    Da gehe ich 100 % mit!

    Berufsfachschule für Altenpflege / Berlin

    schrieb Artepsemo am

  • #4

    Bevor ich vor ca. 30 Jahren in den Schuldienst ging, war ich Personal verantwortend in der Industrie beschäftigt. Wenn sich bei uns jemand beworben hatte, der ein Berufliches Gymnasium mit Abitur abgeschlossen hatte, hat er in der Regel auch die Stelle bekommen - egal, welche Durchschnittsnote er im Abiturzeugnis erreicht hatte. Insoweit haben wir sehr wohl den o.a. “Klassenaufstieg” nach drei Jahren gewürdigt.
    Ich habe mich auch seinerzeit mit Prof. Baumert (MPI für Bildungsforschung, u.a. verantwortlich im berühmten PISA Text 2000/2003) unterhalten. Er hat mir bestätigt dass Baden Württemberg mit seinen beruflichen Gymnasien das durchlässigste und damit “fortschrittlichste” Schulsystem in Deutschland habe. Immerhin haben in BW knapp 40% derjenigen, die eine allg. Hochschulreife erlangt haben, diese im beruflichen Schulwesen erlangt. Über 52% der Hochschulzugangsberechtigungen (einschl.FHSR) werden in BW im beruflichen Schulwesen erteilt.
    Maßgeblich beteiligt an diesem Erfolg sind Lehrer, die einerseits wissenschaftlich (Zitat von oben: “fachlich”) gebildet sind (so habe ich z.B. eine Diplomarbeit über ein Thema der engl. Literatur verfasst), andererseits durch ihren persönlichen beruflichen Werdegang und ihre Erfahrungen in der beruflichen Realität auch außerhalb der Schule jungen Menschen ein Vorbild geben.
    Zwar werden Lehrer beruflicher Schulen in BW grundsätzlich mit einer Zulage bedacht, die Lehrer allgemeinbildender Schulen nur erhalten, wenn sie hauptsächlich in der Oberstufe eingesetzt werden, aber neben der kaum besseren Bezahlung wird ihr Einsatz als “Meistertrainer” nicht sonderlich entlohnt - vielleicht auch, weil an verantwortlichen Stellen wohl eher keine Berufsschullehrer sitzen, sondern z.B. auch ein ehemaliger Studienrat für Ethik und Naturwissenschaften.

    schrieb Handelslehrer am

  • #5

    Hallo,
    SuS: Schülerinnen und Schüler
    KuK: Kolleginnen und Kollegen
    LuL: Lehrerinnen und Lehrer
    ich bin Lehrer an einer beruflichen Schule in BW und unterrichte im Beruflichen Gymnasium. Selbst war ich auf einem Allgemeinbildenden Gymnasium (AG) und habe auch SuSs von AGs vereinzelt betreut, ua. bei Projektarbeiten. Der Artikel bringt meine Beobachtungen auf den Punkt - Treffender kann man das kaum beschreiben.
    Was man vielleicht auch erwähnen sollte:
    Die Allgemeinbildung, aber auch die Fachliche Einbildung der LuLs an AGs ist wesentlich höher, ersteres ist verständlich, da oftmals auch verschlungene Wege zum Lehramt an Beruflichen Schulen führen, letzteres ist verwunderlich, da die Kollegen aus Beruflichen Schulen aufgrund der Praxiserfahrung doch insbesondere fachlich den Allgemeinbildnern voraus sind.
    Das führt, zumindest in BW, oft zu einer völlig unangebrachten Geringschätzung der Beruflichen Gymnasien seitens der AG-KuKs, obwohl das Niveau im Abschluss (wie im Artikel richtig erwähnt) vergleichbar ist. Bei uns erwerben die SuSs tatsächlich die Allgemeine Hochschulreife ohne Abstriche. Das bedeutet, dass wir trotz des schwächeren Ausgangsmaterials ein ähnliches Niveau erreichen.
    Das wäre ungefähr so, als würde man im Fußball jedesmal den Klassenaufstieg schaffen, während die AG LuLs lediglich den Klassenerhalt gewährleisten, also genaugenommen ist das eine höhere Leistung.
    Spannend ist auch, dass z.B. im Fach Mathematik das unabhängig von der Note gemessene tatsächliche Leistungsniveau der SuSs in BW etwa dem Leistungsniveau allgemein bildender Gymnasien “schwächerer” Bundesländer entspricht. Das heißt, statistisch gesehen werden im bundesweiten Maßstab in einem “Denkfach” ganz respektable Leistungen an Beruflichen Gymnasien erzielt. Vergleicht man jedoch mit SuS allg. bildender Gymnasien in BW ist diese Schülergruppe leistungsfähiger. Sprich: ein guter Abiturient Beruflicher Schulen sollte sich nicht im eigenen Bundesland bewerben, da sehen die Chancen eigentlich schlechter aus.

    schrieb mtfbwy am

  • #6

    Ja, der ist echt gut, danke für das Kompliment!

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #7

    Na noch besser ist doch dieser Satz:

    Während an allgemeinbildenden Schulformen oft eine hohe Dynamik herrscht, was fachlichen Anspruch oder pädagogische Neuerungen betrifft, sind viele Kolleg/innen an beruflichen Schulen eher als pragmatisch zu bezeichnen.

    schrieb Christian am

  • #8

    Hier steht ja eine Menge Quatsch über die Berufsschulen aber der Satz: “Und niemand ist ernstlich verwundert, wenn mal auf dem Schulhof ein/e Schüler/in beim Dealen von Gras auffliegt.” ist die Krönung.

    schrieb quick am

  • #9

    Alles etwas übertrieben, ungenau und nicht richtig beschrieben, möchte ein Berufsschullehrer zunächst sagen. Und doch: Irgendwie stimmt das schon alles…
    Heterogenität ist für mich das Schönste. Eine Stunde mit inzwischen erwachsen gewordenen Hauptschülern, danach ähnliche Inhalte mit Schülern, die gerade das Abitur hinter sich haben. Oder eine Stunde allgemeines Englisch am Gymnasium, danach Fachenglisch (z.B. Logistik oder Finanzdienstleistungen) mit Studenten einer Dualen Hochschule.
    Und wenn man es geschafft hat, einen Schüler von der Hauptschule zu übernehmen und innerhalb von 8 Jahren bis zum Bachelor zu führen, ist man so zufrieden und stolz, als wenn man selber eben diese Karriere gemacht hätte.

    schrieb Handelslehrer am

  • #10

    Nach 41 Jahren im Schuldienst in NRW (nach dem Referendariat an einem Gymnasium in BW) mit Unterrichtserfahrung in Gymnasium, Gesamtschule und Berufskolleg freue ich mich immer besonders, wenn Kollegen so genau wissen, wie es an meiner Schule zugeht.
    Alle im Schuldienst arbeitenden Kolleginnen wissen, wie unterschiedlich die Schulen arbeiten, wie groß die Unterschiede nach Bundesländern und bereits in verschiedenen Stadtteilen sind, eine solch pauschale Aussage wie im Artikel getroffen, ist einfach nicht möglich.
    Wenn die Ergebnisse eines Schulsystem, das so komplex ist wie das berufliche, bundesweit so kurz zusammengefasst werden, kann nur eine niemanden zufriedenstellende, falsche Aussage dabei herauskommen.

    schrieb Frau D. am

  • #11

    Die “Stimmung” an BBSen ist einfach eine andere als am allg. Gym.
    Weniger Konferenzen an der BBS? Vielleicht…dafür allerdings regelmäßige Fach- und/oder Bildungsganggruppentreffen eventuell noch andere übergeordnete Arbeitsgruppen/Teams.  In Niedersachsen tritt die Konferenzstruktur hinter die “Teamstruktur” und die Arbeit in den Teams ist häufig sehr regelmäßig und intensiv.
    Was die Ansprüche beim Abi am BG angeht- ich stimme Frau Ü zu. Zwar sind die Schüler teilweise nicht so stark - nicht so gymnasial- aber sie müssen im Zentralabitur ja schließlich mithalten können.

    schrieb Teacher am

  • #12

    Kann mich dem Kollegen T-CHA nicht anschließen - auch ich habe an beiden Schultypen unterrichtet und kann die dargestellten Unterschiede (natürlich immer unter Verweis auf “Ausnahme und Regel”) bestätigen!

    Den geringeren fachlichen Anspruch sehe ich jedoch nicht - auch an einem Beruflichen Gymnasium bereiten sich Schüler auf ein Abitur vor, und hierfür lege ich denselben Anspruch zugrunde, wie ich dies bei einem Allgemeinbildenden Gymnasium tue.

    schrieb Frau Ü am

  • #13

    @T-Cha
    Autor ist Berufsschullehrer, hat lange an allgemeinbildendem Gymnasium unterrichtet.
    Wäre es interessant, wenn Sie Ihre Eindrücke etwas differenzierter darstellen könnten?

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #14

    Das ist ja unglaublich, welcher vorurteilsbelasteter Quatsch hier reduzierend und plump verallgemeinernd in fast allen Teilen über Berufsschulen erzählt wird. Ich empfehle der/dem/den AutorIn / AutorInnen dringend zu einem “Betriebspraktikum” in einer “Berufsschule” und wünsche viel Spaß.
    Glücklicherweise relativieren die realistischeren Eindrücke der Lehramtsstudentin das schräge Bild ein wenig.

    schrieb T-Cha am

  • #15

    Der Hauptunterschied ist doch, dass der fachliche Anspruch aktuell gehalten werden muss und man nicht 30 Jahre dieselbe Folie auflegen kann, wie im “normalen” Gymnasium. Das Niveau reicht dabei von “kurz über Grundschule” (BVJ usw.) bis hin zur Fachhochschule (Techniker-/Meister-Kurse). Berufliche Bildung ist nach ECVET mittlerweile einem Bachelor gleichwertig! Die BBS müssen zudem die Allgemeinbildung nachholen, die die ABS-Lehrer verpennt haben. Manchmal frage ich mich, was Hauptschüler in 9 Jahren Schule außer kiffen noch gemacht haben. Die Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft besteht ständig, was sich tw. in hervorragender technischer Ausstattung der Fachräume/Labore widerspiegelt.

    schrieb Techgym-Chief am

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