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Korrekturentlastung: Korrekturen in Billiglohnländer auslagern 20.04.2010, 12:33

Exportkiste für Korrekturenversand
Bild: pixabay [CC0 (Public Domain)]

Es klingt wie ein schöner Traum: Klassenarbeiten per Mail verschicken und nach 3 Tagen vollständig korrigiert zurückbekommen. Für den englischsprachigen Raum gibt es bereits Firmen, die das übernehmen: Zahlreiche Universitäten in den USA lassen die Korrektur studentischer Hausarbeiten in Asien erledigen - für durchschnittlich 12 Dollar pro Arbeit (knapp 9 Euro). Wäre dieses Konzept auch für das deutsche Schulwesen geeignet?

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  • (geändert: )

Die Vermittlung zwischen korrekturunfreudigen Lehrkräften und billigen Korrektor/innen übernehmen eigens darauf spezialisierte Firmen. Das Zauberwort heißt LOM (Learning Outcomes Management): Die schriftlichen (Haus-)Arbeiten der Studierenden werden auf digitalem Wege in Billiglohnländer transportiert, dort von Personen (Fachkräften?) korrigiert und benotet und kommentiert und zurückgeschickt. Dieses Vorgehen scheint an mehreren US-amerikanischen Universitäten gängige Praxis zu sein, wie The Chronicle of Higher Education berichtet. Dies sei die einzige Möglichkeit, dass den Studierenden in Zeiten steigender Arbeitsbelastung noch ausführliche und differenzierte Rückmeldungen gegeben werden könnten. 

Lori Whisenant etwa ist “Director of Business Law and Ethics Studies” an der staatlichen University of Houston, der drittgrößten Universität in Texas. Diese Dozentin hat [...] die Schreibübungen ihrer Studenten [...] von angeheuerten Kräften in Indien, Singapur und Malaysia korrigieren lassen.

sueddeutsche.de 08.04.2010: Die Note der Globalisierung

Die Firma Virtual-TA übernimmt die Organisation

Erledigt wird die Arbeit von der Firma Virtual-TA. Das steht für “Virtueller Assistent” (Virtual Teaching Assistant), der ausgelagerte wissenschaftliche Mitarbeiter. Virtual-TA ist ein Tochterunternehmen von EduMetry. EduMetry hat sich der Auswertung von Lernleistungen verschrieben:

Wir nehmen den Universitäten die Arbeit ab, indem wir die Prüfungs- und Arbeitsergebnisse der Studierenden (“SLOs - Student Learning Outcomes”) sammeln, analysieren und auswerten. Wir sprechen dabei nicht nur von Umfragen oder standardisierten Tests; durch unsere Auswertung erhalten Sie eine detaillierte Vorstellung darüber, was Ihre Studierenden bereits wissen und können und an welchen Stellen Verbesserungsbedarf besteht.

EduMetry.com, freie Übersetzung Lehrerfreund

Nach Aussagen von Virtual-TA braucht man sich keine Gedanken über die Qualifikation der externen Leistungsbeurteiler/innen zu machen: Alle Beurteiler/innen (“assessors”) hätten mindestens einen Master-Abschluss und wären hinsichtlich ihrer schriftsprachlichen Qualitäten überprüft worden. Sie arbeiten vornehmlich zu Hause, viele von ihnen sind Frauen mit Kindern, die sich durch die Arbeit ein Zubrot verdienen.

Auch der Ablauf klingt erfreulich: Die Arbeiten werden über das Internet in digitaler Form an den Dienstleister geschickt, von diesem anonymisiert und an die Beurteiler/innen weitergeleitet. Diese korrigieren die Arbeit und fügen Kommentare in das Dokument ein, die von der Auftraggeber/in vor Rückgabe der Arbeit bearbeitet werden können. Außerdem enthalten ist (auf Grundlage der eingeschickten Arbeit) eine allgemeine Rückmeldung über den studentischen Leistungsstand und auffällige Problembereiche. Der gesamte Prozess dauert in der Regel drei bis vier Tage.

Kritik am Konzept der externen Korrekturen

An diesem Konzept wird von vielen Seiten Kritik geübt: Wie kann jemand eine Arbeit korrigieren ohne zu wissen, welche Lernprozesse der Arbeit vorausgegangen sind? Werden Lehrende die korrigierten Arbeiten zurückgeben, ohne einen einzigen Blick hineingeworfen zu haben - und damit jeden professionellen Kontakt zu den Lernenden verlieren? Frau Terri Friel von der Roosevelt University College of Business Administration (eine der “Success-Stories” von EduMetry) weist die Kritik als überzogen zurück:

“Die Dozierenden glauben, dass Leistungsbeurteilung Teil ihrer Aufgabe sei. Aber dann gehen sie hin und geben die studentischen Arbeiten einem wissenschaftlichen Mitarbeiter zum Korrigieren. Was ist der Unterschied, ob man eine Arbeit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter vor Ort schickt oder jemandem in Indien? Indien hat einen sehr guten Ruf als Bildungsstandort - warum sollte man das nicht nutzen?

The Chronicle of Higher Education 04.04.2010: Some Papers Are Uploaded to Bangalore to Be Graded, freie Übersetzung Lehrerfreund

Eine Lösung für Schulen?

Korrigieren gehört für viele Lehrpersonen zu den meistgehasstesten Aufgaben (vor allem für Lehrer/innen sog. “Korrekturfächer” wie Deutsch, Englisch usw., wo die Schülerarbeiten häufig sehr umfangreich ausfallen). Die Klausuren von externen Dienstleistern korrigieren zu lassen klingt verlockend. Für Lehrer/innen im deutschsprachigen Schulwesen stellen sich folgende Fragen:

  • Sprache - In Billiglohnländern dürften sich nur wenig Arbeitskräfte finden, die die deutsche Sprache ausreichend beherrschen, um eine Deutschklausur zu korrigieren.
  • Ethik: Faires Korrigieren - Man möchte durch seine Korrekturen keine Personen in Billiglohnländern ausbeuten, während der fiese Vermittler freundlich den Löwenanteil einstreicht. Ein Siegel “fair korrigiert!” wäre nötig, würde aber den Endpreis in die Höhe treiben.
  • Zuverlässigkeit - Der externe Korrektor müsste absolut zuverlässig sein. Nichts wäre schlimmer als die Reklamation von Eltern über Korrekturungenauigkeiten, die man selbst nicht zu verantworten hat - es aber nicht zugeben kann.
  • Preis - Was wäre es Ihnen wert, einen Satz Klassenarbeiten korrigiert zu bekommen? Rechnen wir brutto mit einem Endpreis von 10 Euro pro Korrekturstunde (ließe sich der Betrag von der Steuer absetzen?):
    • Bsp. 1: Mittelstufe, Inhaltsangabe, 1 Seite - Bei 30 Aufsätzen sitzt man inkl. Kommentarschreiben mindestens 5 Stunden netto, eher mehr. Das würde dann >40 Euro kosten. 40 Euro für einen freien Nachmittag?
    • Bsp. 2: Oberstufe, Interpretationsaufsatz, 8 Seiten - Bei 25 Aufsätzen sitzt man inkl. Kommentarschreiben mindestens 12 Stunden. Das würde >120 Euro kosten.
    • Vollkorrektur - Gehen wir davon aus, dass eine Korrekturfachlehrer/in im Jahr 360 Stunden korrigiert. Dann hätte man eine monatliche Belastung von 300 Euro dafür, dass man keine einzige Korrektur mehr machen muss.

Vielleicht könnte man tatsächlich jemanden finden (z.B. über machdudas.de), der für 10 Euro die Stunde korrigiert. Es müsste jemand sein, die/der zuverlässig und kompetent ist. Dem/der würde man einen genauen Erwartungshorizont zukommen lassen (“Wir haben im Unterricht behandelt 1.,2.,3., von den Schüler/innen erwarte ich 1.,2.,3.”), die Arbeiten mit einem geeigneten Einzugsscanner einscannen, mailen - und auf den Tennisplatz gehen.

gefunden bei norberto42 19.04.2010: Idee: Lehrer entlasten - US-Universitätsdozenten lassen Hausarbeiten in Asien korrigieren

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Kommentare

8

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  • #1

    Sie müssten die Klausuren wohl auf jeden Fall anonymisieren. Und danach käme wohl die Frage, ob Sie durch Auslagerung Ihrer pädagogischen Verantwortung gerecht werden - Sie werden schließlich dafür bezahlt, sich ein Gesamtbild vom Leistungsstand der Schüler/in zu verschaffen usw.
    Andererseits wäre es bei anonymisierten Klausuren wahrscheinlich auch nicht so einfach, Ihnen auf die Schliche zu kommen.

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #2

    Ich frage mich die ganze Zeit: Dürfte ich mir bei Unterrichtsangelegenheiten (Rechtschreibung vorkorrigieren etc.) denn eigentlich helfen lassen? Oder mache ich mich strafbar falls die “Machdudas”-Person plaudert (Datenschutz etc.)?

    schrieb Leserin am

  • #3

    @Egon Gschwandner

    Ich weiß ja nicht auf welchem Niveau ihr Kollege korrigiert, eine professionelle Korrektur für 8 Seiten Oberstufe würde ich auf definitiv 100 Minuten plus x ansetzen, das sind jahrelange Erfahrungswerte aus der Praxis (auch meiner Kollegen).

    schrieb Heribert Anstein am

  • #4

    Davon abgesehen, dass ja auch in Klassenarbeiten/Klausuren durchaus der Lernprozess beurteilt werden sollte, den externe Personen gar nicht beurteilen können, finde ich, dass der Denkansatz in die falsche Richtung geht.
    Ich unterrichte selber ein Korrekturfach und bemitleide wirklich die Kollegen, die deren zwei unterrichten- ich sitze so schon extrem lange an den Korrekturen, wenngleich es tatsächlich extreme Unterschiede gibt. Eine Klassenarbeit in der Orientierungsstufe, die dann auch noch eher auf die Grammatik abzielt, ist nun mal wesentlich schneller korrigiert als eine vergleichende Textanalyse in der 13 Q2, allerdings aber auch schneller als eine Klassenarbeit im Feld des “kreativen Schreibens” in einer 6. Klasse. Die Korrekturzeit pro Klassenarbeit/Klausur kann man auch gar nicht pauschalisieren- bei mir reicht das Spektrum da von 5-10 Minuten (sehr gute 5er Arbeit mit grammatikalischem Schwerpunkt) bis zu zwei Stunden (schlecht gelungene 13er Klausur) und mehr (eher bescheidene Facharbeit). Im Schnitt sind es bei mir wohl um die 30-40 Minuten pro Arbeit/Klausur. Da ich Klausuren aber auch auf die individuelle Lerngruppe zuschneide und die individuelle Leistungsfähigkeit der SuS einschätzen kann, wäre eine externe Korrektur doch kaum möglich- es sei denn, es werden vermehrt Klausuren/Lernziele definiert wie z.B. die eher lächerlichen Vera-Aufgabenstellungen, die dann aber auch kaum Lernprogression erzielen.
    Viel befriedigender allerdings wäre es, wenn der tatsächliche Korrekturmehraufwand auch bezahlt werden würde, im Sinne von Zulagen i.H.v. beispielsweise 1-3 € Zuschlag pro korrigierter Klausur/Klassenarbeit. Denn warum sollte ein “Korrekturlehrer” denn wie oben genannt 300€/mtl. von seinem Einkommen für eine externe Korrektur abgeben, während ein Kollege, der kein Korrekturfach unterrichtet, das volle Einkommen ohne Abzüge bezieht? Ich will hier gar nicht behaupten, dass Fächer ohne Korrekturen, bzw. mit wenig Korrekturen grundsätzlich “easy going” wären, dennoch ist der Korrekturaufwand endlich mal wirklich zu berücksichtigen und honorieren. Oder das lächerliche “Korrekturentlastungssystem” wird mal realistisch überarbeitet- für meine 6 “Korrekturen”, die ca. 450 Klassenarbeiten/Klausuren pro Halbjahr bedeuten (und damit mindestens sehr nett gerechnete 225 Nettoarbeitsstunden á 60 Minuten), bekomme ich generöse 0,4 Entlastungswochenstunden á 45 Min.. (I=: ca. 13.500 Minuten echte Arbeit, dafür bekomme ich ca. 450 Minuten Entlastung ;-)).

    schrieb Oswaldius am

  • #5

    Liebe Kollegen, wie will ein Fremder Arbeiten korrigieren?

    Mein Seminarlehrer erzählte hierzu immer folgende Geschichte.
    “Nennen Sie drei Fischarten!”
    Der Schüler schreibt:
    Thunfisch, Drossel, Barsch,
    Karpfen, Forelle, Fink,
    Hecht, Specht und Star.

    Das ist natürlich auf viele andere Themengebiete übertragbar.

    Lassen Sie das mal von fünf Lehrern korrigieren,
    jeder wird zu einem anderen Ergebnis kommen.
    Der eine korrigiert zeilenweise, der andere spaltenweise,
    der andere sagt, fünf richtig, vier falsch,
    ein weiterer Lehrer streicht das kompett durch.

     

    schrieb Paula Meier am

  • #6

    @Johannes Kruse
    Bitte, machen Sie sich nicht lächerlich.
    Ich musste kürzlich bei solch einer Schulaufgabe Aufsicht halten.
    Die drei Arbeiten, die früher abgegeben wurden, hatte der Deutschlehrer während seiner Aufsicht (!)  bereits korrigiert, benotetet und einen Kommentar dazu geschrieben.
    Gruß
    Egon

    schrieb Egon Gschwandner am

  • #7

    Diese Rechnungen gehen bei mir nicht auf: 25 Aufsätze in 12 Stunden korrigiert? Pro Aufsatz eine halbe Stunde Korrektur? Wer schafft das denn? Arbeiten in der Oberstufe, die z.T. über 180 Minuten geschrieben werden, benötigen mit der Formulierung eines Kommentars und einer abschließenden Bemerkung, wenn es sich um Kurse auf erhöhtem Niveau handelt pro Schüler mindestens die Zeit, die der Schüler zum Schreiben der Klausur hatte. Also meine Rechnung lautet: 25 Aufsätze (über 180 Minuten) benötigen zur Korrektur etwa 75 Stunden! Das allerdings steigert die Summe der zu bezahlenden Korrektur allerdings erheblich.

    schrieb Johannes Kruse am

  • #8

    Es hätte auch psychologisch noch einen weiteren Vorteil da bei einer so ausgelagerten Korrektur und der dadurch gestiegenen Anonymität der Arbeiten, die neutrale Bewertung noch mehr sichergestellt würde. Doch die Qualität der ausgelagerten Korrekturen finde ich unsicher.

    schrieb Alexander Horn am

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