Strikter als Bayern und Baden-Württemberg
Facebook-Verbot in Rheinland-Pfalz 23.10.2013, 22:56
Das 'Facebook-Verbot' in Rheinland-Pfalz untersagt die Facebook-Freundschaft zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen. Außerdem darf Facebook nicht als Ersatz für eine Lehr-Lernplattform genutzt werden. Die wichtigsten Passagen des Datenschutzbeauftragten von RP im Originalwortlaut, außerdem ein knackiger Lehrerfreund-Kommentar.
Im Juli 2013 hatte der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Rheinland-Pfalz (der Kürze halber im Folgenden: LFDDUDIRP) bekannt gegeben, dass er die
Auffassung des baden-württembergischen Kultusministeriums [teile], dass die Nutzung von Facebook für schulische Zwecke durch Lehrerinnen und Lehrer datenschutzwidrig [sei ...]
Nach dem derzeitigen Informationsstand werden die Hinweise des Ministeriums zur Facebook-Nutzung zu Beginn des neuen Schuljahres allen Schulen zur Verfügung stehen.
Und da sind sie, die Hinweise:
- Pressemeldung 21.10.2013: Datenschutzbeauftragter begrüßt Nutzungsverbot von Facebook an rheinland-pfälzischen Schulen (Pressemeldung des LFDDUDIRP 21.10.2013)
- Im Handbuch Schule.Medien.Recht. gibt es einen neuen "Baustein zum Thema Social Communities", nämlich den Baustein 2.7: Datenschutzrechtliche Anforderungen bei der Verwendung von Facebook im Schulbereich (PDF).
- Die Kurzform: Merkblatt Lehrkräfte und Soziale Netzwerke (PDF)
Kurzfassung - Merkblatt: Lehrkräfte und Soziale Netzwerke (z.B. facebook)
Die relevante Passage ist diese:
Schülerinnen und Schüler stehen in einem besonderen Obhutsverhältnis zu Ihnen als Lehrkraft. Ein verantwortungsvoller und vertrauensvoller Umgang mit Nähe und Distanz [Fußnote zum entsprechenden Paragrafen im RP-Schulgesetz] ist möglicherweise nicht mehr gegeben, wenn auf facebook miteinander „befreundete“ Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler gegenseitigen Einblick in die privaten Darstellungen, Postings und Fotos der jeweils anderen Mitglieder erhalten. Auch wird beim Chatten schnell in eine formlose Sprache gewechselt und Distanz abgebaut. Zudem bestehen datenschutzrechtliche Bedenken.
Deshalb kommen facebook-„Freundschaften“ mit Ihren Schülerinnen und Schülern nicht in Betracht.
Aus datenschutzrechtlichen Gründen sollte ebenfalls keine schulische Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern über facebook stattfinden. Insbesondere wird von der Nutzung i. S. einer Lernplattform abgeraten. (Eine mögliche Alternative stellt die auf Moodle basierende Lernplattform „Lernen online“ dar, s. http://lernenonline.bildung-rp.de.)
Deshalb ist facebook auch nicht für unterrichtliche Zwecke einzusetzen.
Datenschutzbeauftragter Rheinland-Pfalz: Merkblatt Lehrkräfte und Soziale Netzwerke (PDF)
Lange Fassung - Baustein 2.7. im Handbuch Schule.Medien.Recht.
Im PDF sind hier die Seiten 28-29 relevant. Hier ist zu lesen:
1. facebook als Lernplattform
Im schulischen Alltag besteht für Lehrkräfte nicht selten das Erfordernis, mit Schülerinnen und Schülern auch nach dem Präsenzunterricht noch in schulischen Angelegenheiten zu kommunizieren. Wenn diese Kommunikation unmittelbaren Unterrichtsbezug hat, steht rheinland-pfälzischen Schulen mit dem Landesmoodle hierfür eine eigene kostenlose Lernplattform zur Verfügung [siehe hierzu den auch nach 5 Jahren immer noch aktuellen Lehrerfreund-Beitrag Alle reden über Moodle - und keiner benutzt es]. Die Vorteile dieser Plattform liegen u. a. darin, dass eine Trennung zwischen dienstlichen und privaten Inhalten möglich ist und die Datensicherheit durch die Verwendung von landeseigenen Servern sichergestellt ist. Würde eine Schule gleichwohl facebook als Lernplattform nutzen, wäre dies datenschutzrechtlich aus folgenden Gründen unzulässig:
- Verstoß gegen den in den schulrechtlichen Bestimmungen verankerten Grundsatz der Erforderlichkeit, da der facebook-Einsatz für Unterrichtzwecke nicht zur Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule erforderlich ist;
- Verstoß gegen die Bestimmungen zum technisch-organisatorischen Datenschutz, da die Datensicherheit bei einer Datenverarbeitung in den USA nicht sichergestellt werden kann;
- Verstoß gegen die Bestimmungen zur Auftragsdatenverarbeitung;
- Verstoß gegen die Bestimmungen des TMG.
2. facebook-Freundschaften zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern
[...] Wenn eine Lehrkraft ebenfalls über einen eigenen privaten facebook-Account verfügt, stellt sich die Frage, ob sie sich mit Schülerinnen und Schülern im Sinne der facebook-Terminologie „befreunden“ darf.
Das Meinungsbild reicht von einer „facebook-Pflicht“ für Lehrkräfte bis hin zu einem Verbot von facebook- Freundschaften zwischen Lehrkräften und Schüle- rinnen und Schülern. Vermittelnde Positionen lassen unter bestimmten Voraussetzungen, wie z. B. dem Anlegen eines Zweitprofils oder der Bildung von geschlossenen Benutzergruppen, facebook-Kontakte zu (mehr dazu im Abschnitt „Links“).
Aus datenschutzrechtlicher Sicht hätte eine solche facebook-Freundschaft zur Folge, dass Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler wechselseitig Einblick in die jeweils anderen Profile und die dort hinterlegten Daten und Fotos erhalten. Sie könnten erfahren, wer, wann und auf welcher Webseite den Like-Button betätigt hat, welche Nachricht auf einer „befreundeten“ Pinnwand gepostet wurde und was sonst noch aus dem realen Leben bei facebook preisgegeben wird. Über die „benutzerdefinierten Freundeslisten“ kann man zwar die Zugriffsmöglichkeiten der facebook-Freunde in Bezug auf das eigene Profil einschränken; dies ist aber mit einem gewissen Aufwand verbunden und dürfte schon aus Bequemlichkeit kaum genutzt werden (siehe hierzu unter „Links“ das „Modul Freundeslisten“ von Klicksafe [klicksafe.de]).
In datenschutzrechtlicher Hinsicht sind facebook-Freundschaften zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern aber auch deshalb problematisch, weil man nicht immer davon ausgehen kann, dass eine Schülerin oder ein Schüler wirklich freiwillig entscheidet, ob sie oder er eine „Freundschaftsanfrage“ einer Lehrkraft akzeptiert. Ein Akzeptieren der Anfrage könnte mit der Befürchtung einhergehen, ansonsten schulische Nachteile zu erleiden.
Bei Freundschaftsanfragen durch Schülerinnen und Schüler besteht umgekehrt für die Lehrkraft das Problem der Ungleichbehandlung und die Gefahr, dass die gebotene Trennung zwischen schulischen und privaten Angelegenheiten (Distanzgebot) unterlaufen wird (§ § 1 Abs. 5, 25 Abs. 3 Schulgesetz). Etwas anderes kann lediglich in den Fällen gelten, in denen eine Lehrkraft Schülerinnen und Schüler aus ihrem privaten Umfeld kennt – weil diese beispielsweise mit ihr verwandt, benachbart oder im gleichen Verein sind – und diese Schülerinnen und Schüler nicht unterrichtet.
Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass die facebook-Nutzung durch Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler überhaupt erst zu einer facebook-Mitgliedschaft veranlasst, an facebook bindet oder den Entschluss, das Angebot von facebook nicht mehr zu nutzen, erschwert. Ganz abgesehen davon ist es mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht zu vereinbaren, wenn im schulischen Bereich Netzwerke zum Einsatz kommen, die mit den Daten von Kindern und Jugendlichen Geschäfte machen und eine Quasi-Monopolstellung eines privaten Unternehmens zumindest indirekt unterstützt wird.
Diese Bedenken können auch durch das Anlegen eines Zweit-Accounts, benutzerdefinierte Freundeslisten oder die Bildung einer geschlossenen Benutzergruppe nicht ausgeräumt werden.
Ergebnis: Aufgrund der genannten datenschutzrechtlichen Bedenken gegenüber facebook ist grundsätzlich von einer Vernetzung zwischen Lehrkraft und Schülerinnen und Schülern auf facebook abzusehen.
Kommentar
Die Vorgaben in Rheinland-Pfalz sind die bislang striktesten - strikter als in Bayern oder Baden-Württemberg, wo es ein dienstliches Facebook-Verbot für Lehrer/innen gibt, Freundschaften mit Schüler/innen aber erlaubt sind (Übersicht über die Lehrer-Facebook-Verbote der Bundesländer: Süddeutsche 22.10.2013: Bundesländer wollen kein totales Facebook-Verbot für Lehrer).
Nun gibt es natürlich einige Punkte, die man mit Recht ganz anders sehen kann. Vor allem das Thema "Distanz" ist höchst zweifelhaft. Jetzt, wo es die noch nie dagewesene Möglichkeit gibt, mit Schüler/innen bzw. mit Lehrer/innen unkompliziert über Klassenzimmermauern und Gongs hinaus zu kommunizieren, soll man bewusst Distanz schaffen? Das riecht nach ziemlich verstaubten pädagogischen Vorstellungen.
Darüber hinaus dürfte Vielen eine solche "Bevormundung" durch die Ministerien (Zitat Lehrergewerkschaft VBE für Rheinland-Pfalz) intuitiv lächerlich scheinen - was ist denn schon dabei, wenn man ein paar Schüler/innen in der Freundesliste hat und ab und zu schreibt, dass man für den Klassenausflug doch bitte die Regenjacke nicht vergessen soll?
Grundsätzlich ist das Anliegen der Behörden jedoch gutzuheißen. Schließlich geht es nicht (nur) irgendwelchen Apparatschiks darum, sich juristisch abzusichern. Die Schüler/innen sollen geschützt werden - nicht nur in datenschutzrechtlicher Hinsicht, sondern auch vor eigenartigen Dynamiken, die in der Beziehung zur Lehrer/in entstehen können. Dabei steht nicht im Vordergrund, ob man auf Facebook Nacktfotos aus dem letzten Suff teilt, sondern eher Fragen der emotionalen Distanz oder der Gleichbehandlung - dieser Schüler ist mein "Freund", jener nicht. Das klingt nicht gut.
Außerdem: Das Facebook-Verbot hat explizit NICHT gesetzlichen Status. Somit bleiben für Lehrer/innen gewisse Spielräume, die sie im eigenen Ermessen ausfüllen können. Die oben zitierten Argumente sind bei der persönlichen Entscheidung definitiv hilfreich.