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Korrigieren und der innere Schweinehund - Interview mit Dr. Frädrich 14.01.2015, 17:14

Schweinehund-Rennen
Bild: suju / pixabay [CC0 (Public Domain)]

Eines der größten Lehrer/innen-Probleme: Die Motivation zu finden, sich an den Stapel mit Korrekturen zu setzen. Wir hoffen, eine Lösung für dieses Problem zu finden, indem wir den Motivationsexperten Dr. Stefan Frädrich zum Thema befragen.

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  • (geändert: )
Dr. Stefan Frädrich, Portraitfoto klein, 100pxDr. Stefan Frädrich ist Motivationsexperte, Eventveranstalter und Weiterbildungsunternehmer. Er gehört zu den Top-Erfolgsreferenten im deutschsprachigen Raum und motiviert jedes Jahr tausende Seminar- und Vortragsteilnehmer zu einem besseren Leben. Bekannt wurde er unter anderem durch Bücher wie »Das Günter-Prinzip: So motivieren Sie Ihren inneren Schweinehund«.

Vorbemerkung: Das war aber mal ein aufschlussreiches Interview (geführt per E-Mail)! Während wir nach Abhilfe für die Symptome fragen ("Ist es ein guter Trick, in Häufchen zu korrigieren?"), nimmt Dr. Frädrich den Kern des Problems in den Blick: Korrigieren ist Coaching, und damit Kommunikation mit den Schüler/innen. Damit hat er uns gleich erwischt - denn häufig korrigieren Lehrer/innen, um eine Note zu erzeugen, um sich schon im Vorfeld gegen Anschuldigungen der Schüler/innen oder Eltern zu wappnen. Wenn bei den Schüler/innen letztlich nichts ankommt außer roter Farbe, und wenn man sich als Lehrer/in mit dieser Einstellung an den Schreibtisch setzt, dann gibt es auch keine Tricks außer tumbem Zähnezusammenbeißen. Der Trick ist die innere Einstellung - nicht die Frage, auf welcher Seite des Schreibtischs die unkorrigierten Klassenarbeiten liegen.

Lehrerfreund: Hallo, Herr Frädrich. Können Sie der Lehrerschaft beim Kampf gegen den inneren Schweinehund beistehen?

Dr. Stefan Frädrich: Ich denke, damit sind wir schon auf das eigentliche Problem gestoßen: Dass wir nämlich den inneren Schweinehund nicht besiegen sollten, sondern ihn als einen Freund begreifen. Nur geht das natürlich nicht, wenn ich meine Arbeit im Kern nicht mag.

Wahrscheinlich sollte man erst einmal fragen, warum das Korrigieren als langweilige und unerfüllende Tätigkeit angesehen wird. Das bedeutet doch, dass man am eigentlichen Sinn vorbeiarbeitet. Hausarbeiten oder Hausaufgaben geben dem Lehrer ein Feedback über die Qualität seiner Arbeit. Insofern kann ich mir vorstellen, dass es einfacher ist zu korrigieren, wenn ich mich weniger als Lehrer mit einer lästigen Pflicht begreife, sondern viel mehr als Coach, der seine Schüler weiterentwickelt.

Vielleicht ist die grundsätzliche Frage, ob ich diesem Aspekt meiner Arbeit die Wichtigkeit gebe, die er verdient. Damit müsste man weniger über das Ablenken nachdenken als über das große Ganze.

Lehrerfreund: Eine Umfrage hat gezeigt, dass die meisten Lehrer/innen beim Korrigieren dauernd die verbleibenden Klassenarbeiten zählen. Man korrigiert drei, vier Stück, dann zählt man, wie viele noch übrig sind. Fünf Minuten später zählt man schon wieder. Undsoweiter. Ist das tatsächlich eine Erleichterung oder nur unnötige Selbstquälerei?

Dr. Stefan Frädrich: Die Qualifikation, Arbeiten im Block zu erledigen, ist eine Schlüsselqualifikation für jeden Beruf. Insofern sind Lehrer mit dieser Aufgabe nicht alleine. Jeder Job hat Routineaufgaben. Diese müssen nicht immer Spaß machen, gehören aber dazu. Wer diese Geisteshaltung verinnerlicht hat und vorlebt, kann seinen Schülern etwas Wichtiges für ihr Leben mitgeben.

Ansonsten gilt: Die Situation ist der Coach. Was bedeutet es, dass ich ein Problem habe? Was kann ich noch lernen? Was kann ich aus diesem Problem lernen? Ich denke, dass es jedem gut tut, in einigen Bereichen noch nicht perfekt zu sein und sich als einen im ständigen Lernen begriffener Mensch zu verstehen. Das dürfte die Basis dafür sein, mit der nötigen Demut die Aufgaben der Schüler zu betrachten. Die müssen ja auch ständig Hausaufgaben machen.

Lehrerfreund: Sehr viele Lehrer/innen würden sich ihre heimische Arbeit lieber in kleine Häppchen einteilen (hier mal ein Stündchen, dort mal ein Stündchen), doch regelmäßig läuft es auf einen "Gewaltakt" hinaus, weil man die Arbeit vor sich herschiebt, bis es nicht mehr geht (Umfrage: Gewaltakt oder häppchenweise?). Ist das nicht erstaunlich, dass man offensichtlich im Lauf der Jahre nichts dazulernt und diese Aufschieberitis ablegt?

Dr. Stefan Frädrich: Wer seine Arbeit nur in einem "Gewaltakt" bewältigen kann, sollte möglicherweise sein inneres Wording überdenken. Will ich Probleme haben oder Herausforderungen? Ist etwas anspruchsvoll oder schwierig? Ist ein Schüler speziell oder lästig? All diese inneren Formulierungen bereiten einen emotionalen Boden, auf dem sich Dinge mal leichter, mal schwerer erledigen lassen. Sie sind eine Art innere Programmierung, und insofern eine Frage gelebter Selbstintelligenz. Letztlich ist es die eigene Entscheidung, ob man unter Pflichten leiden will oder sie als einen Teil des eigenen Lebens akzeptieren kann.

Lehrerfreund: Lehrer/innen haben das Sisyphos-Problem: Ist das Ziel erreicht (alle Klassenarbeit korrigiert), kommt am nächsten Tag schon wieder der nächste Stapel rein. Die vollbrachte Arbeit hat kaum sichtbare Erfolge, häufig lesen die Schüler/innen nicht einmal die Korrekturanmerkungen/Kommentare. Der einzige Grund, sich an den Schreibtisch zu setzen, besteht darin, fertig zu werden und den Korrekturstapel wegzuschaffen. Wie kann man sich in dieser Situation motivieren?

Dr. Stefan Frädrich: Auch hier geht es um ein Grundthema jeden Lebens. In jedem Job, in jedem Haushalt, in jeder Existenz gibt es täglich wiederkehrende Pflichten. Die spannende Frage ist diese: Wenn die vollbrachte Arbeit kaum sichtbare Erfolge mit sich bringt, warum ist das so? Hier kann man sich hinterfragen: Kommentiere ich die Korrekturen richtig? Sollte ich andere Kommunikationskanäle mit den Schülern wählen? Ist mit unter ein Einzelgespräch sinnvoller? Die Aufgabe des Lehrers ist hier die gleiche wie die einer Führungskraft in jedem Wirtschaftsbetrieb: zu kommunizieren. Und Kommunikation ist, was ankommt, was verstanden wurde. Nicht das, was man gesagt und gemeint hat. Also haben Lehrer kein Sisyphos-Problem. Es geht eher um Aspekte wie Beibringen, Feedback, Fortschritte. Wer das als anstrengend empfindet, sollte sich Fragen stellen, die tiefer gehen. Bin ich im richtigen Beruf? Habe ich die richtige Art zu kommunizieren? Habe ich die richtige Einstellung, um meinen Beruf als befriedigend zu empfinden? Wer hier zweifelt, hat andere Aufgaben als rein auf die Selbstorganisation zu schielen. Es geht um Grundsätzliches.

Ich hatte einmal einen Lehrer, der sich die Mühe gemacht hatte, Korrekturen mit kleinen Zeichnungen zu versehen. Er hat seinen Beruf und seine Schüler geliebt, das hat jeder gespürt. Und die Zeichnungen haben seine Korrekturen so interessant gemacht, dass jeder freiwillig und sehr genau hingesehen hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Lehrer die Korrektur von Hausaufgaben als lästige Pflicht betrachtet hat. Es war eher ein Teil seiner inneren Motivation, ein guter Lehrer zu sein. Wer sich hingegen nur motivieren will, den nächsten Stapel abzuarbeiten, wird dieses sein Leben lang tun müssen. Vielleicht wäre es dann an der Zeit, sich die Frage zu stellen, welchen Beruf man statt des Lehrerdaseins ausüben möchte.

Lehrerfreund: Ein großes Problem ist die Prokrastination - sobald man zwei Aufsätze korrigiert hat, fängt man an zu telefonieren und Geschirr zu spülen. Wer den Lehrer/innen hier eine zuverlässige Gegenstrategie verrät, macht sich im internationalen Schulwesen unsterblich. Kennen Sie eine?

Dr. Stefan Frädrich: Natürlich ist es menschlich, Unangenehmes vor sich her zu schieben. Ich denke, es geht um die persönliche Dosis. Wir wissen alle: Wenn etwas dringend genug ist, haben wir keine Schwierigkeiten, uns zu motivieren. Der Trick ist ja letztlich wie bei den Hausaufgaben, die die Schüler machen müssen: Einfach anfangen, dann kommt die Motivation schon hinterher. Wer hingegen darauf wartet, dass Motivation entsteht, und dann erst anfängt, wartet mitunter sehr lange. Auch hier sprechen wir wieder über eine Schlüsselqualifikation erfolgreicher Menschen: das Anfangenkönnen. Wie viele Menschen zögern lieber, zaudern und schieben Unangenehmes vor sich her, anstatt einfach zu handeln? Natürlich gibt es ein paar praktische Aspekte: Man sollte seine Arbeit in Blöcken arrangieren. Man sollte das Handy ausschalten, sich also nicht ablenken lassen. Türe zu, Augen zu und durch! Wer hingegen ständig mit sich hadert, was er viel lieber täte, hat nicht nur bei den Korrekturen ein Organisationsproblem.

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Kommentare

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  • #1

    Als Burnout-Berater ist Frädrich ‘ne Wucht. Also nicht darin, wie man Burnout verhindert, sondern totsicher (sic) bekommt: “Steiger dich rein, verwirkliche dich dabei, rette sie alle, sei der Super-Kommunikator, mal kleine Bildchen rein, hinterfrage dich ...”

    Das steht im krassen Gegensatz zu den Geständnissen, die Frädrich oben selbst zugibt: Schüler und Eltern wollen gute Noten zu kleinen Preisen. Das Feedback interessiert ergo keine Sau, denn Noten sind ein Verhandlungsgegenstand, weshalb die Korrektur auch vorrangig der eigenen juristischen Absicherung dient - genauso wie die Meldeliste, Anwesenheitsliste etc.

    Der kleine Frädrich darf jetzt wieder in seinen Elfenbeimturm gehen, er wird hier nicht mehr gebraucht.

    schrieb Michael am

  • #2

    kurze frage: warum werden schüler sanktioniert, wenn sie ihre hausaufgaben nicht rechtzeitig abgeben, aber lehrer nicht?

    schrieb selbstgerecht lässt grüßen am

  • #3

    “Es geht eher um Aspekte wie Beibringen, Feedback, Fortschritte. Wer das als anstrengend empfindet, sollte sich Fragen stellen, die tiefer gehen. Bin ich im richtigen Beruf? “
    Oh je - Herr Frädrich sollte sich jedes zweite Wochenende mal an einem Schreibtisch voller Deutscharbeiten finden, die korrigiert werden müssen. Dann würde er sich wahrscheinlich fragen: “Bin ich im richtigen FILM?” Bei der Masse der zu korrigierenden Klassenarbeiten ist sein Ansatz, so edel er auch gemeint sein mag, schlichtweg nicht durchführbar.

    schrieb S. H. C. am

  • #4

    Das “Verhältnis von Aufwand zu Erfolg positiv gestalten” - dem kann ich etwas abgewinnen. Ich bin sicher, dass es hilft und dass der Korrigierende damit besser durch die Stapel kommt. Ich fürchte nur, dass dieser “Erfolg” völlig losgelöst vom Lernerfolg der zu korrigierenden Schülerinnen und Schüler erreicht werden kann. Schädlich ist dies zunächst nicht und hilft dem akut gestressten Korrektor am Schreibtisch, zur Verbesserung der Kommunikationsqualität zwischen Prüfling und Korrektor trägt es aber zunächst nichts bei - es sei denn, ich nutze die frei gewordene Energie für noch detailliertere bzw. differenziertere Rückmeldungen.

    schrieb Musikus am

  • #5

    Was, bitte, ist eine “Respizienz”?

    schrieb Das DeuLe am

  • #6

    Man muss ja wohl Verständnis haben, dass ein ‘Motivations-EXPERTE’ ( das Wort EXPERTE kann ich schon nicht mehr hören!) seinen Zuhörern erst mal rosa Brillen aufsetzt, um hernach sich selbst zu bestätigen / sich bestätigen zu lassen, dass er ”  jedes Jahr tausende Seminar- und Vortragsteilnehmer zu einem BESSEREN LEBEN motiviert. Also lassen wir mal beiseite, wie hochtrabend hier die Wirklichkeit geritten wird. Wir leben auf allen Felder des öffentlichen Lebens in einer Kultur der sozialwirksamen Autosuggestion. Selbsttäuschung auf , insofern passt dies in den gewohnten Rahmen.

    In Abwandlung eines bekannten Goethe-Wortes möchte ich ernüchternd an den Motivationsexperten gerichtet sagen: ” »Grün, teurer Freund, ist alle Theorie,/Und grau des Lebens kahler Baum.«

    Josef Hueber

    schrieb Josef Hueber am

  • #7

    Danke, Musikus, für diesen ausführlichen und inspirierenden Kommentar. Einige Anmerkungen:

    Sein Hinweis, nicht über die Ablenkung, sondern über „das große Ganze“ nachzudenken, erscheint zudem wenig hilfreich.

    Ist nicht gerade dieser Hinweis hilfreich? DIe meisten Lehrer/innen sind von den Korrekturen genervt und erledigen sie widerwillig auf den letzten Drücker. Wenn man das ändern wollte, müsste man über “das große Ganze” nachdenken, ob es nun eine Lösung gibt oder nicht. Wer dem Korrekturproblem durch Heftezählen begegnen will (was alle(!) tun :-) ), der wird es nicht strukturell lösen, sondern jedes Mal von Neuem mit den Zähnen knirschen müssen.

    Braucht man für die Deutschklausur eines einzigen Schülers eine Zeitstunde, so sind dies bei einem Kurs von nur 20 SuS bereits ebenso viele Zeitstunden, also eine halbe Woche Arbeitszeit. …

    Genau das ist der Knackpunkt, warum es vielleicht ein Missverhältnis zwischen Korrekturaufwand und Ertrag gibt. Ihre Äußerung

    Wer Erfolge feiern möchte, sollte tatsächlich nicht Lehrer werden. Es gibt Erfolge, aber sie sind selten, oder sie sind klein, …

    trifft in fachlicher Hinsicht möglicherweise wirklich zu. Aber wie soll man sich ohne die Aussicht auf ein Erfolgserlebnis (und sei es nur, Rückmeldung ausgeübt zu haben) motivieren?

    Dr. Frädrich schlägt vor, genau diese Frage in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen: wie man das Verhältnis von Aufwand zu Ertrag positiv gestalten kann. Alles andere, so seine These im Interview, wird keinen motivationalen Nutzen haben. Und das muss man sich erst mal klar machen. Das macht den Wert dieses Interviews aus.

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #8

    Kommentar Motivation

    Dr. Stefan Frädrich bekäme von mir als Schulnote höchstens eine 3 für seine Tipps, strengere Lehrer könnten ohne Weiteres auch eine 4 begründen.
    Zwar argumentiert er durchaus aspektreich und belegt seine Thesen durch Argumente, Belege und Beispiele, lässt dabei aber die notwendige Differenzierung vermissen. Vereinzelt stellt er sogar sachlich falsche Behauptungen auf. Zur Veranschaulichung seien folgende Punkte genannt:
    1. Es ist pädagogisches Allgemeingut, dass eine Korrektur dazu dient, Schülerinnen und Schüler dazu anzuleiten, es beim nächsten Mal besser zu machen. Insofern ist den Pädagogen die Wichtigkeit ihrer Arbeit durchaus bewusst. Sein Hinweis, nicht über die Ablenkung, sondern über „das große Ganze“ nachzudenken, erscheint zudem wenig hilfreich. Jeder, der schon einmal über „das große Ganze“ nachgedacht hat, wird anschließend festgestellt haben, dass er leider noch nichts erledigt hat, der Korrekturstapel noch immer auf dem Schreibtisch liegt.
    2. Die Korrektur einer Klassenarbeit in der Mittelstufe mag in einem Kurzfach oder in naturwissenschaftlichen Fächern häufig einer Routineaufgabe nahekommen, auch Vokabeltests zählen sicherlich zu dieser Gruppe. Dies gilt allerdings in keiner Weise für Oberstufenklausuren oder Klassenarbeiten in sprachlichen oder geisteswissenschaftlichen Fächern. Dr. Frädrich nimmt hier also eine unzulässige Verallgemeinerung bzw. Pauschalisierung vor, die der Sache nicht gerecht wird. Interessant erscheint zunächst die Gleichsetzung mit den Hausaufgaben, die Schülerinnen und Schüler zu erledigen haben, zu denen sie allerdings ebenso wenig Lust verspüren wie Lehrer für die Korrekturen. Leider ist Dr. Frädrich hier einem populären Irrtum aufgesessen. Hausaufgaben bekommen die Schülerinnen und Schüler auf, damit sie sich selbst verbessern, sei es durch Übungen, Anwendung von Gelerntem oder durch die Vorbereitung auf den kommenden Stoff. Korrekturen erledigen Lehrerinnen und Lehrer allerdings niemals für sich selbst. Hinzu kommt der offensichtliche und banale Umstand, dass Lehrkräfte ihrem Broterwerb nachgehen, während Schülerinnen und Schüler einer Schulpflicht unterliegen, die mehr oder weniger gern erfüllt wird.
    3. Auch wenn viel dafür spricht, dass unsere innere Einstellung zu einer Sache entscheidet, wie ich ihr begegne (sei es als Problem oder als Herausforderung), so ist mit dem beschriebenen „Gewaltaktakt“ meist wirklich ein solcher gemeint. Weder liegt es in der Hand des Korrigierenden, wo und wie lange er korrigiert, noch hat er immer eine Handhabe gegenüber Störungen von außen. Lehrkräfte mit eigenen Kindern werden z. B. häufiger abends und nachts korrigieren. Hinzu kommt die objektive Korrekturdauer, die in Richtung Abitur exponentiell anzusteigen scheint. Braucht man für die Deutschklausur eines einzigen Schülers eine Zeitstunde, so sind dies bei einem Kurs von nur 20 SuS bereits ebenso viele Zeitstunden, also eine halbe Woche Arbeitszeit. Eine Stunde erscheint manchem Leser vielleicht viel, allerdings braucht es zum Lesen (und Verstehen!) mancher Klausur schon 10-15 Minuten, ohne dass man auch nur eine Anmerkung gemacht hätte. Oder man macht sofort Anmerkungen, verliert dabei aber den Blick auf das Ganze und muss in beiden Fällen ein zweites Mal lesen, vielleicht noch ein drittes Mal, weil man Vergleiche zu den Leistungen der Mitschüler ziehen möchte. Von administrativen Dingen wie Schnitt errechnen, Noten in eigenen Lehrerkalender übertragen, in offizielle Listen in der Schule eintragen, Pflichtexemplare beim Fachleiter einreichen usw. ganz zu schweigen. Diese „Herausforderung“ ist allerdings neben dem regulären Schulbetrieb zu leisten. Und es ist auch nicht die einzige Klassenarbeit, die zu erledigen ist.
    4. Wer Erfolge feiern möchte, sollte tatsächlich nicht Lehrer werden. Es gibt Erfolge, aber sie sind selten, oder sie sind klein, oder sie sind auf Feldern, auf denen man sie nicht erwartet hatte oder auf die man gar nicht mit den Schülerinnen und Schülern hingearbeitet hatte. Gründe für ausbleibende Erfolge und Fortschritte liegen in den seltensten Fällen bei der Lehrkraft. Meist ist es einfach so, dass man eine Lerngruppe nach einem relativ kurzen Zeitraum (0,5-2 Jahre) an eine/n Kollegin/en abgibt, oder die Schüler verabschieden sich von der Schule. Alle Schülerinnen und Schüler machen Fortschritte, der Beweis sind die Absolventen, die ihr Abitur schaffen, und die man noch in der 5. Klasse als verträumt, verspielt, unkonzentriert oder schüchtern kennengelernt hatte. Aber dies sind nicht die Erfolge, über deren Ausbleiben die Lehrkraft im Allgemeinen klagt. Hier sind Fortschritte auf kurzer Distanz gemeint, und die bleiben häufig aus, weil wir es mit Kindern zu tun haben. Kinder verhalten sich nicht so wie Angestellte einer örtlichen Sparkasse, zu denen Dr. Frädrich nicht selten spricht.
    5. Ein großes Problem sieht Dr. Frädrich darin, dass Lehrkräfte sich nicht dienstbeflissen ihrem Schicksal ergeben und Korrekturen leider nicht als unvermeidlichen Teil ihres Lebens akzeptieren. Dies mag für Arbeitgeber eine gewisse Anziehungskraft haben, aber vernunftbegabte Akademiker sollten vielleicht doch hin und wieder die ihnen auferlegten Pflichten kritisch hinterfragen, anstatt sie einfach still und dankbar zu erledigen. Bei der Korrektur einer Klassenarbeit mag es helfen, nicht nachzudenken, es macht meine Korrekturen aber nicht besser und sicher auch nicht zu einem besseren Lehrer. Die Anmerkung, dass man sich einem anderen Beruf suchen solle, anstatt über Korrekturen klagt, ist vor diesem Hintergrund unreflektiert und unter einem ernstzunehmenden Niveau.
    Die Tipps erfolgreicher Motivationstrainer kranken meist daran, dass sie nicht auf das Schulsystem zugeschnitten sind. Mache ich einen Job, können mir die Tipps gut helfen, übe ich allerdings einen Beruf aus oder mache am Ende sogar etwas, was ich für sinnvoll erachte und in das ich mein Herzblut einbringe, dann will ich selbst entscheiden, was dafür notwendig ist und was nicht. Und genau das ist im Beamtentum nicht möglich. Durch Motivationstipps lerne ich nur, etwas zu tun, was ich eigentlich gar nicht tun möchte. Ob das jetzt sinnvoll ist oder nicht, spielt auf dieser Ebene keine Rolle.

    schrieb Musikus am

  • #9

    “Wenn die vollbrachte Arbeit kaum sichtbare Erfolge mit sich bringt, warum ist das so? Hier kann man sich hinterfragen: Kommentiere ich die Korrekturen richtig? Sollte ich andere Kommunikationskanäle mit den Schülern wählen? Ist mit unter ein Einzelgespräch sinnvoller?”

    -> Für so etwas hat man leider nicht genügend Freiraum. Es ist ja schon zum Großteil vorgeschrieben, wie man zu korrigieren hat, denn neben dem Feedback an den Schüler, das wird hier leider überhaupt nicht erwähnt, soll eine Klassenarbeit ja auch eine rechtssichere Rechtfertigung einer Note sein.

    Ist eine Positivkorrektur vorgeschrieben (und das ist sie fast immer), muss man das leider (umsonst, da der Schüler die Anmerkungen halt einfach gar nicht oder nicht gründlich durcharbeitet) einfach machen, auch, wenn es vielleicht sinnvoller wäre, dem Schüler stattdessen in einem Einzelgespräch Materialien/Möglichkeiten aufzuzeigen, die ihm dabei helfen, es in Zukunft besser zu machen.

    Versuchen Sie doch einmal, eine Klassenarbeit bei der Respizienz abzugeben, in der Sie auf den Arbeiten selbst nur Haken beziehunsgweise Fehlerzeichen gemacht haben, zusammen mit der folgenden Anmerkung für die Respizienz:
    “Auf eine ausführliche Positivkorrektur wurde verzichtet, da sich nach längeren pädagogisch-didaktischen Überlegungen herausgestellt hat, dass bei den Schülern dieser Klasse eine Besprechung der Klassenarbeit in individuellen Einzelgesprächen als sinnvoller erachtet werden muss als eine Korrektur mit ausführlichen, schriftlichen Anmerkungen.”
    Raten Sie mal, was der Fachbetreuer zu sowas sagen wird…

    Am lustigsten ist es an FOS/BOS Bayern: Hier wird eindeutig vorgeschrieben, dass Klassenarbeiten sowieso nur in Ausnahmefällen und auf schriftlichen Antrag überhaupt mit nach Hause genommen werden dürfen. Trotzdem wird eine möglichst ausführliche Positivkorrektur verlangt. Für eine intensive Auseinandersetzung mit den Korrekturanmerkungen aber wird selbst dem willigen Schüler dann nicht einmal die nötige Zeit gegeben…

    schrieb Peter am

  • #10

    “Wer sich hingegen nur motivieren will, den nächsten Stapel abzuarbeiten, wird dieses sein Leben lang tun müssen. Vielleicht wäre es dann an der Zeit, sich die Frage zu stellen, welchen Beruf man statt des Lehrerdaseins ausüben möchte.”

    Nicht, dass wir jetzt ganz viele Kollegen verlieren…. ;-)
    Ist natürlich grundsätzlich richt. Das Korrekturproblem sieht man im Studium und bei der Studienwahl leider nocht nicht so klar.

    schrieb Torsten am

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