Interview mit Hans Wedenig
Schulbuch-O-Mat: Das erste freie Schulbuch ist fertig! 14.08.2013, 23:10
Es gleicht einem Wunder: Fast fristgerecht wurde am 14.08.2013 das erste freie Schulbuch fertig - mit einem Etat von lediglich 10.000 Euro. Das Ereignis könnte der OER-Bewegung einen entscheidenden Schub geben. Ein Interview mit Hans Wedenig, einem der beiden Schulbuch-O-Maten.
Wir erinnern uns: Mitte Januar hatten Medienmann Hans Wedenig und Lehrer Heiko Przyhodnik über die Crowdfunding-Plattform startnext 10.000 Euro eingesammelt, um damit ein komplett freies Schulbuch zu publizieren - ohne Verlage, ohne Urheberrechtsstress (das ist übrigens die Bedeutung von OER: offene, freie Bildungsmaterialien). In dieser ersten Runde stand im Fokus das Fach Biologie, Klasse 7/8, Rahmenlehrplan Berlin.
Mehr zur interessanten Entstehung des Projekts:
- Schulbuch-O-Mat: Erstes OER-Projekt für freie Schulbücher
- Das Volk bezahlt für OER: Schulbuch-O-Mat: Interview mit Hans Wedenig
Es fanden sich genug Idealist/innen, die bereit waren, das ambitionierte Vorhaben durch Spenden zu unterstützen. Groß war aber auch die Zahl der Zweifler/innen, die meinten, man hätte sich übernommen - wer sind diese zwei unbekannten Großtuer, die etwas tun wollen, was noch niemand vor ihnen getan hat?
Das Projekt "SBOM" (Schulbuch-O-Mat, Homepage: schulbuch-o-mat.de) sollte am 31.07.2013 abgeschlossen sein; mit nur leichter Verspätung wurde am 14.08.2013 kurz vor 21 Uhr das erste freie (CC-Lizenz) Schulbuch Deutschlands im epub-Format veröffentlicht, außerdem für iPad. Man kann es hier im epub-Format herunterladen (E-Book-Format, benötigt zum Lesen einen geeigneten Reader), als PDF (Direktlink zum PDF) oder hier für iPad, Die PDF-Version hat 253 Seiten.
Ist das Buch gut? Kann es mit den kommerziellen Produkten großer Verlage mithalten? Warum ist nur das Fach Biologie vertreten - ich unterrichte das doch gar nicht?
Das alles sind wichtige Fragen, doch sie sind vollkommen zweitrangig. Denn Moment ist historisch: Durch die Veröffentlichung des Schulbuch-O-Mats wurde gezeigt, DASS ES GEHT. Das Volk sammelt Geld und erzeugt offene, freie Bildungsmaterialien, weil es die Nase voll hat von Hinterzimmerdeals und Verboten und Vorgaben. Ab sofort gibt es kein "Das kann nicht funktionieren" mehr.
Interview mit Hans Wedenig, (Mit-)Macher des "Schulbuch-O-Mat"
Direkt nach Veröffentlichung des Schulbuch-O-Mats war Hans Wedenig bereit, dem Lehrerfreund ein Interview zu geben - statt sich vor Freude schreiend in einer Badewanne voll Schampus zu wälzen, was er definitiv verdient hätte. Danke dafür!
Viele haben euch den Untergang prophezeit, das Projekt schien für zwei Normalmenschen einige Hausnummern zu groß. Vor drei Stunden habt ihr nun das erste freie Schulbuch veröffentlicht und dabei fast alle Ansprüche erfüllt, die ihr euch gesetzt habt. Was ist das für ein Gefühl?
Große Zufriedenheit. Einerseits. Andererseits ist schon die verbesserte Version 1.1 im Kopf.
Gab es nie Phasen, in denen ihr dachtet: Das klappt nie!
Doch, zwei oder drei Mal war das Gefühl da, das kriegen wir nicht hin. Da hilft es sehr, in einer Gruppe zu arbeiten. Eine/r hat sich immer gefunden, der ein überzeugend motivierendes "Hey Mädels und Jungs, das schaffen wir!" zugerufen hat.
Ein Schulbuch in wenigen Monaten - das dürfte ziemlich Kraft und Nerven gekostet haben. Wie hoch war euer Arbeitsaufwand?
Offen gesagt, entschieden höher als auch nur geahnt. In bestimmten Arbeitszeitmodellen würde das wohl einem Mannjahr entsprechen.
Wie viele Leute haben denn aktiv mitgeholfen?
Durchgehend waren es vier bis sechs, sozusagen immer wieder dabei waren es rund zehn. Ja, das Kernteam bestand aus rund 10 Leuten.
Wie beurteilt ihr die Qualität eures Schulbuchs? Kann es mit kommerziellen Produkten großer Verlage mithalten?
Da hätten wir ja den goldenen Schulbuchesel entdeckt, wenn das in einem halben Jahr möglich wäre. Nein, natürlich nicht, das war auch nie der Anspruch für die erste Version. Entscheidend für uns war, eine ordentliche Erstausgabe hinzubekommen, die ein Fundament darstellt, auf das gebaut werden kann - wobei wir uns in der Zwischenzeit durchaus vorstellen können, dass Biologie 1 in nicht allzu ferner Zukunft in der obersten Qualitätsstufe angelangt ist. Mit ganz neuen Möglichkeiten für Lehrer*innen und Schüler*innen.
Die Texte sind unter einer NC-Lizenz veröffentlicht - d.h. sie dürfen nicht kommerziell genutzt werden. Ist das aus eurer Sicht ein Problem?
Problem trifft es nicht ganz. Lieber hätten wir es gehabt, dass sowohl Bilder als auch Texte ohne NC sind, dann wäre allerdings ein ziemlich dünnes, nicht ernstzunehmendes Büchlein entstanden. Jeden, den das NC stört, kann schon morgen seine eigenen, "NC-freien" Texte einbringen. Wir möchten das auch machen, je mehr wir sind, desto rascher wird es gehen.
Welche Bedeutung hat der SBOM für das Konzept OER? Ist das schon der Durchbruch für eine Crowdfunding-basierte, alternative Bildungsszene?
Schön wäre es. Unser Resümee ist, dass es grundsätzlich funktionieren kann, ein OER Schulbuch auf den Weg zu bringen - soviel Ressourcenpotenzial ist in der vernetzten Welt fraglos vorhanden. Nun wird es interessant zu sehen, wie sich dieser Nukleus weiterentwickelt.
Wie geht es weiter? Ab 1. September Geld sammeln für eine weitere Ausgabe?
Ja, es geht weiter, ganz sicher. Geld sammeln werden wir nicht mehr dafür.
Zum Schluss: Eure Message ans Volk?
Es sieht ganz so aus, als ob Schulbücher bald wieder Spaß bringen werden.