Reibung (2): Haftreibung, Gleitreibung, Rollreibung 14.03.2011, 10:56

Reibung - Kraftmesser, Vorschaubild

Die Reibung ist ein in der Mechanik durchgängig anzutreffendes Phänomen. Die Reibung wirkt zwischen Gleitflächen in Lagern, Kupplungen, Führungen, Gewinden usw.

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Reibung

Wie im Beitrag »Reibung (1): Grundlagen« erläutert, ist die Reibung ein in der Mechanik häufig anzutreffendes Phänomen; sie wirkt zwischen Gleitflächen in Lagern, Kupplungen, Führungen, Gewinden usw. Man unterscheidet Haft-, Gleit- und Rollreibung. Wie man bei der Vermittlung des mathematischen Hintergrunds der Reibung im Unterricht vorgehen kann, zeigt der erwähnte Beitrag ebenfalls.

Haftreibung, Gleitreibung

Haftreibung liegt vor, wenn zwischen den Gleitflächen - wie z. B. bei einer Kupplung - keine Bewegung stattfindet. Gleitreibung tritt zwischen Teilen auf, die sich gegeneinander bewegen, z. B. bei Gleitlagern zwischen Lagerzapfen und Lagerschale.
Die Haftreibungskraft ist größer als die Gleitreibungskraft. Die Reibungskraft FR wirkt gegen die Bewegungsrichtung (Bild). Sie hängt ab von
- der Belastung der Gleitfläche durch die Normalkraft FN,
- der Oberflächenqualität, der Werkstoffpaarung und dem Schmierzustand. Die genannten Größen sind zusammengefasst in der Reibungszahl μ (griech. mü).

Reibungsmessung mit Kraftmesser

Rechenbeispiel 1:
Die federbelastete Druckplatte und die Schwungscheibe drücken mit FN = 180 daN auf die Reibbeläge. (Die von der Schwungscheibe ausgeübte Kraft ist nicht als eigenständige Kraft zu betrachten; sie ist die Reaktion auf die von rechts wirkende Druckplattenkraft). Der mittlere Reibdurchmesser ist 200 mm. Wie groß sind

a) die Reibungskraft FR bei einer Reibungszahl μ = 0,45,
b) das auf die Getriebewelle übertragene Drehmoment M?

Kfz-Schaltkupplung. Der Kraftfluss zwischen Motor und Getriebe
wird durch Reibung aufrecht erhalten

Lösungen

a) FR = μ • FN = 0,45 • 1800 N = 810 N

b) M = 2 • MR (zwei Reibflächen)
M = 2 • FR • r = 2 • 810 N • 100 mm = 162 000 N • mm = 162 Nm

Rechenbeispiel 2: 
Fräsmaschinenschlitten. Das Schlittengewicht FG (= FN) = 360 daN verteilt sich ungleichmäßig auf die beiden Gleitbahnen. Die Reibzahl wird mit 0,25 angegeben. 

Maschinenschlitten und Bett

Zu berechnen sind
a) die Bahnkräfte FA und FB

b) Grobe Näherungsrechnung, wenn die V-Führung als eben betrachtet wird (wie die rechte Führungsbahn): Die Reibungskraft FR, die der Verschiebekraft des Schlittens entgegen wirkt. 

c) Genaue Rechnung mit V-Führung, V-Winkel α = 90°. (Rechnung mit höherem Schwierigkeitsgrad).

 

Lösungsvorschläge:   

a) Anwendung des Hebelgesetzes, Drehpunkt in B.

FA • 300 mm = FG • 240 mm

FA = 288 daN  –> FB = 72 daN

b) FR = FN • μ = 360 daN • 0,25 = 90 daN 

c) Die genaue Berechnung muss Rücksicht auf die V-Führung nehmen. Aus α = 90° ergeben sich zwei auf die Gleitbahnen wirkende Normalkräfte FN1 und FN2

Sie sind FN1 = FN2 = FA/2 : sin 45° = 203,7 daN. Die daraus entstehende Verschiebekraft FHA = 2 • FN1 • μ = 2 • 203,7 daN • 0,25 = 101,8 daN. Dazu kommt die Verschiebekraft FHB = F• μ = 72 daN • 0,25 = 18 daN. FHA + FHB = 119,8 daN. Der bei der Näherungsrechnung c) gemachte Fehler würde also bei gut 30% liegen. 

FHA ist größer als FHB. Daraus entsteht in der waagrechten Verschiebe-Ebene ein Drehmoment. Um es auszugleichen, muss der Angriffspunkt der Verschiebekraft näher bei der V-Führung liegen.

Rollreibung

Die Rollkraft F überwindet die elastischen Verformungen zwischen einem rollenden Rad und seiner Unterlage. Dabei drückt sich das Rad etwas in die Unterlage ein und muss beim Rollen fortwährend über die Kante D gekippt werden (Bild; die Eindrücktiefe ist übertrieben groß dargestellt).

Aus der Momenten-Gleichgewichtsbedingung um den Punkt D erhält man

F • a = FN • f

 

Rollreibung: Rad mit Kräften und Abmessungen

Weil der Kippabstand a und der Radius r annähernd gleich groß sind, kann man schreiben:

Rollkraft F = FN • f / r

F hängt also ab von der Normalkraft FN, der Rollreibungszahl f und dem Radius r der Rolle. Je größer der Rollendurchmesser d (= 2 r), desto kleiner die Rollkraft F. Bei ungleicher Lastverteilung und mehreren Rollen, zum Beispiel bei Wälzlagern, wird anstelle der Rollreibungszahl f die Reibungszahl μ ermittelt. Die Reibungskraft FR  berechnet man aus
FR = μ • FN.

Beispiel:
Das Laufrad eines Schienenfahrzeugs hat einen Durchmesser d = 280 mm und wird mit FN = 38 kN belastet.
Wie groß ist die Rollkraft F bei einer Rollreibungszahl f = 0,5 mm?

Lösung:   

F =  FN • f / r = 38 000 N • 0,5 mm : 140 mm

F = 136 N

______________________________________________________

Seilreibung

Seilreibung_880.png

Die Reibung von über Rollen laufenden Seilen ist ein spezielles und (mathematisch) anspruchsvolles Kapitel, das wir hier nur kurz streifen wollen.
Seilreibung liegt vor, wenn um eine gegen Drehung gesicherte Scheibe ein vollkommen biegsames Zugmittel gelegt ist. Wegen der Reibung zwischen Zugmittel und Scheibe wird die Spannkraft F2 am ziehenden (ablaufenden) Trum größer als die Spannkraft F1 am gezogenen (auflaufenden) Trum:
F2  = F1 • eμα

e ist die Basis des natürlichen Logarithmus (e = 2,718…)

μ = Reibzahl zwischen Zugmittel und Scheibe;
α = 2 • π  • α°/360° = α°/57,3° = Umschlingungswinkel im Bogenmaß.

__________ 

Diesem Beitrag folgen weitere Übungen zur Vertiefung.

__________

Siehe auch Reibung (1)
 

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Kommentare

4

Zum Artikel "Reibung (2): Haftreibung, Gleitreibung, Rollreibung".

  • #1

    Hallo Herr Zins,

    vielen Dank; wir haben Ihre Anregung in die Aufgaben-Änderung eingearbeitet.

    Gruß
    tec.LF

    schrieb Der Lehrerfreund am

  • #2

    Zu Reibung (2) Rechenbeispiel 2 (Fräsmaschinenschlitten):
    Bitte geben Sie bei der Prismenführung den Öffnungswinkel “alpha” an und berücksichtigen Sie, dass sich durch die Keilauflage größere Normalkräfte beim Auflager A ergeben.

    MfG   W.Zins

    schrieb Walter ZINS am

  • #3

    Hallo Herr Schmitt,

    vielen Dank für Ihre Hinweise zum Begriff Rollreibung.
    Sicher arbeiten wir mit einem überholten Vorstellungsmodell, das aber Berufsschülern (Leser, die wir erreichen wollten) einleuchtet und das ihnen verständliche Berechnungsformeln an die Hand gibt.

    Es ist eine Kunst, Stoffe so zu reduzieren, dass sie hinterher nicht verfälscht sind. Dieser Weg bietet Berufsschülern oft den geeigneten Weg, komplexe Probleme zu verstehen. In diesem Sinne werden wir gelegentlich versuchen, das von Ihnen beschriebene Phänomen verständlich mit einer Skizze ähnlich der im Beitrag verwendeten darzustellen.

    Grüße
    tec. LEHRERFREUND

    schrieb tec. LEHRERFREUND am

  • #4

    So schön und gut gemacht ich die grafische Darstellungen auch finde, mit dem Satz “und muss beim Rollen fortwährend über die Kante D gekippt werden” ist in der Ausführung über den Rollwiderstand eine Vorstellung eingeführt worden, die bei diesem Thema fehl am Platz ist. 
    Denn zunächst muß klar daraufhingewiesen werden, ob nun das Rad elastische Verformungen zuläßt oder nicht (starres Rad oder elastisches Rad). Nach der Skizze gehe ich von einem starren Rad aus. Für eine elastische Verformung bleibt dann die Fahrbahn-Ebene übrig. Auch hier sind starre Fahrbahnen und elastische Fahrbahnen denkbar. Der Begriff “elastisch” bedeutet streng physikalisch, daß sich alle Verformungen nach Entlastung wieder zurückbilden.
    Nach Skizze gibt es aber hinter dem rollenden Rad keine Restitution, so daß die Verformung der vor dem Rad liegenden Fahrbahn ständige Energie-Zufuhr mit dissipativem Charakter benötigt. Nimmt man für die Fahrbahn ein ausgedehntes Kontinuum an (hinsichtlich des Fahrweges gleiche Eigenschaften) , so folgt für das Rad, daß die Vertikalbeschleunigung Null ist. Ein Kippen um Punkt D (in der falschen Vorstellung das Momentan-Zentrum) findet dann nicht statt.Das Rad klettert nicht von einem niedrigeren Niveau auf ein höheres !
    Das Momentan-Zentrum der Skizze ist dann der Radaufstandspunkt senkrecht unter Achse, der sich natürlich synchron zur Radbewegung bewegt. Die dissipative Verformungs-Energie bedingt dann den Rollwiderstand.
    Aus Versuchs-Ergebnissen kann abgeleitet werden, daß der Rollwiderstand in der Hauptsache linear von der Radlast (Fz)abhängt, so daß eine Darstellung der Form
    Fr = fr *Fz
    berechtigt ist. fr ist der Rollwiderstands-Beiwert.
    Da nun diese Darstellung des Bewegungswiderstandes ähnlich aufgebaut ist wie der Bewegungswiderstand der Gleitreibung
    Fg = µ*Fz
    liegt es nahe, unmiittelbar die Zahlenwerte zu vergleichen. Es ist kein Geheimnis, daß der Rollwiderstands-Beiwert erheblich kleiner als der Gleitreibungsbeiwert ist.
    Wenn man dann den Begriff “Rollreibung” gebraucht, sollte das Bewußtsein, daß es sich um eine Analogie und keine eigentlich physikalische Größe handelt, nicht unter den Tisch fallen.
    Schlampig verwendete Ausdrücke werden häufig Allgemeiner Sprachgebrauch und verdrängen dann die korrekten Ausdrücke und setzen sich in den Köpfen fest. Die unkorrekten Ausdrücke vernebeln dann auch das Denkvermögen.
    Also “Rollreibung” immer in Anführungszeichen.

    MfG H.S.

    schrieb Helmut Schmitt am

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zum Artikel "Reibung (2): Haftreibung, Gleitreibung, Rollreibung".



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