Deutsch im technischen Unterricht: Fremdwörter (6.1) 03.12.2015, 05:44

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In die deutsche Sprache sind Hunderte Fremdwörter eingebettet und werden nicht mehr als solche wahrgenommen: Alkohol, Charakter, Dogma, Diplomat, Fabrik, Hydraulik usw. Jedermann versteht sie und keiner wird versuchen, sie durch deutsche Wörter zu ersetzen. Wie aber sollen wir mit den jeden Tag neu auf uns einprasselnden Fremdwörten, zumal den englischen, umgehen?

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Wortschatz im technischen Unterricht: Fremdwörter 

Im ersten Beitrag haben wir formuliert: »Die Anteil an Fachbegriffen ist in den naturwissenschaftlich-technischen Berufen sehr hoch.« 

Hier legen wir nach: Es gibt kaum Lehrfächer mit einem so hohen Anteil an Fremdwörtern wie in den naturwissenschaftlich-technischen Berufen, und fragen: Wenn diese Behauptung zutrifft, ist das gut oder schlecht? 

In seinem Buch »Deutsch für Profis« meint Wolf Schneider: Dass Fremdwörter verständlicher seien als ihre deutschen Gegenstücke, komme vor – allerdings spricht er über die Allgemeinsprache. Dann macht er einen Vorschlag zur Praxis: Ein Fremdwort sei willkommen oder mindestens erlaubt, sagt er, falls es  
1. verständlich und treffend sei, 
2. verständlich und ... nicht durch ein deutsches zu ersetzen sei, 
3. zwar nicht allgemeinverständlich, aber (bisher) ohne deutsche Entsprechung sei.  

Uns erscheint es interessant, dass für Schneider die Kürze bzw. Länge eines Fremdworts kein Grund dafür ist, es vorzuziehen. Wir hingegen vermuten, dass manches Fremdwort Eingang in die deutsche Sprache gefunden und sich festgeklammert hat, weil es kurz und griffig war, z. B. black box, Handy, chip, Kat, ...

Um uns an der eigenen Nase zu nehmen, haben wir die ersten fünf tec.LF-Beiträge auf Fremdwörter durchgekämmt. In den technischen Beschreibungen fanden wir etwa 40 davon:  
1. Beitrag: analysieren, Lernprozess, Präsentation, Informationen, Drehmoment, Kontaktproblem, Situation, Problem, Konstruktion, Konus, Didaktik, Objekt, Prinzip  
2. Beitrag: Experiment, Montage, Demontage, systematisch, System, sich konzentrieren, Pedal, Kräfteparallelogramm, Winkelfunktion, Tretposition, Tangenzialkraft 
3. Beitrag: typisch, Bimetallstreifen, Mechanik, Lamellenbremse, zylindrisch, Magnet, Chaos   
4. Beitrag: Projektion, Plastik, Ellipse, perspektivisch, konsequent  
5. Beitrag: Internet, schematisch, Prototyp, Sponsor, Aktion  
Darüber hinaus benützten wir einige Fremdwörter, bei denen wir zögerten, sie als solche anzusehen, z. B. Skizze, Kapitel. 

Wir können hier keine Deutschanalyse aller 40 Wörter durchführen. Aber wir ordnen sie, wie es W. Schneider vorschlägt, auch auf die Gefahr hin, dass unser Bemühen Widerspruch entfacht. 

1. verständlich und treffend 
Internet, Konstruktion, tangential

2. verständlich und ... nicht durch ein deutsches zu ersetzen  
Bimetall, Ellipse, Information, sich konzentrieren, Lamelle, Lernprozess, Magnet, Kontakt, Technik, typisch, zylindrisch 

3. nicht allgemeinverständlich, aber bisher ohne deutsche Entsprechung  
Analyse, Didaktik, Drehmoment, Mechanik, schematisch, System, Winkelfunktion, 

Für die übrigbleibenden Wörter – es sind mehr als die Hälfte – werden wir deutsche Entsprechungen suchen.

4. Deutsche Entsprechungen  

Aktion = Handlung, Maßnahme, Unternehmen  
Chaos = Durcheinander  
Demontage = Vorgang des Auseinanderbauens  
Experiment = Versuch * 
konsequent = folgerichtig * 
Kontakt = Berührung 
Konus = Kegel * 
Kräfteparallelogramm = Kräftedreieck, -viereck  
Lernprozess = Abfolge von Lernzuständen 
Montage = Vorgang des Zusammenbauens  
Objekt = Gegenstand, Sache, Ding *

Pedal = Tretkurbel  
perspektivisch = räumlich 
Plastik = Kunststoff * 
Position = Lage * 
Präsentation = Vorstellung  
präsentieren = vorstellen * 
Prinzip = Grundsatz, Richtschnur 
Problem = Schwierigkeit * 
Projektion = geometrische Punkte aus einer Ansicht in eine andere übertragen 
Prototyp = Versuchsmodell, Testmodell * 
Situation = Zustand  
Sponsor = Helfer, Spender * 
System = Aufbau, Gesamtheit von miteinander verbundenen Teilen  
Technik = siehe Anmerkung unten: Technik, Technik, Technik
zylindrisch = rollenförmig, walzenförmig

* diese deutschen Begriffe würde der tec.LF Fremdwörtern vorziehen. 


Technik, Technik, Technik

Hier ist – natürlich – von Technik die Rede: Technischer Unterricht, Technik-Lehrer, technisches Problem, technische Sprache, technisches Deutsch, technische Präsentation, technische Berufe, technisches System usw.

Betrachten wir doch einmal beispielhaft den Begriff »Technik« und ihre Schwester, die »Technologie«. Dazu wollen wir uns bei WIKIPEDIA erkundigen. Über Technik steht da:  
„Technik“ bezeichnet ... zunächst die von Menschen gemachten Gegenstände, aber auch die Entstehung und Verwendung der technischen Sachen und das dafür erforderliche Können und Wissen. Technik ist in diesem Verständnis kein isolierter, selbständiger Bereich, sondern auf das Engste mit Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur verflochten. 

Könnte man sagen: ein Allerweltsbegriff? Einer, der keine große Schärfe verlangt, wenn man ihn benützen möchte? Aber auch dies müssen wir anerkennen: Für die in WIKIPEDIA gemachte Definition wird sich bestimmt kein klarerer und kürzerer deutscher Ausdruck finden lassen als eben »Technik«. So kurz das Wort ist, der Autor der WIKIPEDIA-Erklärung fährt insgesamt ein massiges Geschütz auf, um uns über Technik aufzuklären. Unter den etwa 120 Querverweisen (Stand August 2015) gibt es in dem Artikel einen zu Allgemeiner Technologie. Dort lesen wir: 
Oft wird heute gleichbedeutend mit „Technik“ der Ausdruck „Technologie“ verwendet (z. B. Raumfahrttechnologie). Aus fachgeschichtlichen und sprachlogischen Gründen meinen manche Technikforscher, dieser Ausdruck sollte der Wissenschaft von der Technik vorbehalten bleiben. 

Zum Begriff Technologie zieht WIKIPEDIA schließlich diese Schlussfolgerung:  
– Es erscheint unzweckmäßig, den Begriff Technik unbedacht durch Technologie zu ersetzen. 
– Technologie ist nicht gleichbedeutend mit englisch technology. 
– Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Technologie gibt es nicht. 
– Man muss die Bedeutung jeweils aus dem Zusammenhang erschließen.

Alles paletti? 


Der tec.LEHRERFREUND möchte nur diese Feststellung in den Raum stellen: In Berufsschulen werden im Fach Technologie Themen zusammengefasst, die man noch in den 1980er Jahren mit »Fachkunde« und »Werkstoffkunde« bezeichnete. Sind diese beiden nicht klarer als der schwammige Begriff Technologie?   
Eine Schwierigkeit bei der Entscheidung für oder gegen ein Fremdwort liegt darin, dass wir unter dem Druck der Gewohnheit stehen: Es würde uns zumindest verunsichern, etwas Anderes zu tun und zu sagen als das, was viele (schon lange) für richtig und gut halten.

An der Aufzählung unter 4. sieht man, wie viele gut klingende deutsche Wörter es gibt, die wir aus unerfindlichen Gründen nicht benützen und durch Fremdwörter ersetzen. Das wird noch deutlicher an diesen aus dem Englischen stammenden Begriffen: 
Swimmingpool: Was spräche gegen das gute alte deutsche Schwimmbecken? Wie wäre es, für Hardware und Software Geräte und Programme zu sagen? Und Luftsack hört sich auch nicht schlechter an als Airbag. Machen wir uns schließlich mit einem Bergrad aus dem Staub, auf dem wir wahrscheinlich nicht weniger genussvoll über Berge und Bodenwellen fahren als auf einem mountain bike


Fremdwörter sind Glückssache 

Charlys Leiden

Mein Kollege Charly ist ein wirklich netter, sympathischer Mensch mit gesunden Ansichten, und ein ausgewiesener Fachmann darüber hinaus. Nur sprachlich hat er einen Tick: Er liebt Fremdwörter, spricht sie aber oft so seltsam aus, dass es mich manchmal geradezu schmerzt, wenn ich ihm zuhören muss. 
Das passiert meist bei englischen Wörtern, an denen er anscheinend einen besonderen Narren gefressen hat. Wie Charlys frühere Englischlernerei nur so für die Katz gewesen sein kann! Auch scheint es ihm nichts auszumachen, wenn er Fremdwörter verwechselt. Ich habe immer wieder einmal freundschaftlich versucht, ihn von seinem übertriebenen Fremdwörter-Gebrauch abzubringen. Weil es aber war, als hätte ich »einen Ochs ins Horn ´pfätzt«xx), habe ich es aufgegeben. 
Kürzlich meinte er, Elektroautos seien einfach noch nicht ökomenisch 1). »Du wirst sehen«, sagte er, »die kommen jetzt zuerst einmal in eine Rezension 2), wenn der Staat nicht bald finanziell einspringt.« 
Wenn Charly auf dem Elektrotrip ist, dann wird es mit Sicherheit irgendwann peinlich. Der Generator ist für ihn in jedem Fall der dschenera-iter. Er behauptet ja, er sei ein absoluter Elektrik-Frääk 3); das sei für ihn ebenso revelant 4) wie für die Firma, wo sie sowieso fast nur noch englisch sprächen. Die Fortschritte der Elektronik preist er in den höchsten Tönen und glaubt, die Leute die sich das alles ausdenken, seien echte Koniferen 5).  
In letzter Zeit hat es ihm der 3-D-Druck angetan. Da habe er jetzt mal einige Informationen downgeloadet, um sich näher damit zu beschäftigen. »Gedownloadet 6)«, meinst du, berichtigte ich ihn. Das müsse ich nicht so genau nehmen, tröstete er mich, denn das Englische sei eine ziemlich strazapierfähige Sprache. Und als dann noch Finanzminister Schäuble auf die Frage, was geschehe, wenn die Griechen ihre Wahnsinnskredite nicht zurückzahlen, antwortete: »Dann isch over«, lachte Charly sich halb zu Tode. 
Hin und wieder kommt er auf die Schemie zu sprechen, sein Hobby, als er Jugendlicher war. Damals muss er anscheinend mit dem Monoxid und den Molekülen durcheinander gekommen sein, denn er spricht nur noch von Monokülen

Gemeint ist/sind  
1) ökonomisch  
2) Rezession 
3) freak 
4) relevant  
5) Koryphäen 
6) »heruntergeladen«

xx) Alemannisch. Einen Ochsen kann man ins Horn kneifen/zwicken/pfätzen, so oft man will: Er nimmt es ungerührt hin.


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