Festigkeitsberechnungen (4): Biegung 17.12.2010, 10:12

Festigkeitsberechnung Biegung, Vorschaubild

Werden Bauteile auf Biegung beansprucht, dann entstehen im gebogenen Querschnitt Zug- und Druckspannungen. Bei der Berechnung der maximalen Biegespannung ist das »Widerstandsmoment« wichtig. Was versteht man darunter?

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Beanspruchung von Bauteilen auf Biegung

Bild: Die Kraft F beansprucht den Stab (auch Welle, Balken u. Ä.) auf Biegung. Die vor der Belastung gerade Stabachse wird gebogen. Unter einer Biegebelastung entstehen im Querschnitt Zug- und Druckspannungen.
Anmerkung: Um den Vorgang deutlich zu machen, sind die Durchbiegungen in den Skizzen stark übertrieben.

Biegestab mit Zugspannungen und Druckspannungen


In den Randfasern entstehen die stärksten Spannungen, die neutrale Faserschicht (strichpunktiert) dagegen ist spannungslos. In symmetrischen Querschnitten sind die Zug- und Druckspannungen gleichmäßig (linear) über den Querschnitt verteilt.    
Die Biegespannung σb ist abhängig 
- vom Biegemoment Mb
- vom Widerstandsmoment W.

Berechnungsformel

Biegespannung σb = Mb : W (Ncm : cm3 = N/cm2)

Biegemoment Mb
Für einfache Belastungsfälle sind hier Formeln für die Berechnung des Biegemomentes Mb angegeben. Bei anderen Belastungsfällen findet man die Formeln in Tabellenbüchern.  

Häufig vorkommende Biegemomente Mb bei Belastung mit einer Einzelkraft sind
- der einseitig eingespannte Träger
- der auf zwei Stützen ruhende Träger 

Biegeteil einseitig eingepannt

 

Beim einseitig eingespannten Träger ist Mb = F ∙ a

Bild unten: Auf zwei Stützen ruhender Träger. F wirkt in Balkenmitte.

 

Wie erhält man beim auf zwei Stützen ruhenden Träger das Biegemoment? Man stellt sich in den Biegequerschnitt und schaut nach links (oder rechts): Die von dort erkennbare Kraft F/2 zusammen mit dem Abstand a/2 ergeben das Biegemoment: 

Mb = F/2 ∙ a/2 = F ∙ a : 4

Balken_auf_2_Stuetzen__400.png

Widerstandsmoment W
Zum Verständnis der Beanspruchungsart Biegung ist eine geometrische Betrachtung erforderlich. Bei der Zug-, Druck- und Abscherbeanspruchung spielt für Festigkeitsrechnungen neben der Kraft F nur die Querschnittsfläche S eine Rolle. Bei der Bestimmung der Zugspannung z. B. in einem Stab mit Kreisquerschnitt erscheint in σz = F : S (in N/mm2) die Flächenformel für den Kreisquerschnitt als geometrische Größe.   

Für die Biegung (dies gilt auch für die Knickung und die Verdrehung) brauchen wir außer der Fläche S noch zwei andere geometrische Größen: das Trägheitsmoment I, Einheit cm4,  und das Widerstandsmoment W, Einheit cm3. Das Widerstandsmoment ist vom Trägheitsmoment abgeleitet. Für diese beiden Größen hat die höhere Mathematik Berechnungsformeln entwickelt.

Widerstandsmoment und Trägheitsmoment sind Größen, die dem Anfänger erfahrungsgemäß einige Schwierigkeiten bereiten, denn er kann sich nur wenig darunter vorstellen. Der Begriff Trägheitsmoment und die Einheit »cm4« werden ihn völlig verwirren. Er muss sich aber nicht mehr darunter vorstellen als dass er hier einfach eine von der Querschnittsform abhängige Rechengröße einsetzen muss. Ein einfacher Versuch gibt hierüber Aufschluss.

In der Skizze »Flachstahl: Widerstandsmoment und Werkstückhöhe« hat der Stab in beiden Fällen denselben Querschnitt b x h und wird jeweils von derselben Kraft F gebogen. Trotzdem wird er sich weniger verformen, wenn er wie in der Skizze unten, hochkant eingespannt ist. Diese Erkenntnis wird in der Berechnung mit dem Widerstandsmoment W berücksichtigt.

Widerstandsmomente von drei Querschnitten

___________________________

Übungsaufgaben zur Biege-Berechnung nimmt sich der nächste Beitrag vor.

Weitere Informationen zum Thema Festigkeit finden Sie hier

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Kommentare

5

Zum Artikel "Festigkeitsberechnungen (4): Biegung".

  • #1

    Hallo EinLeser,

    bevor wir zu Ihrer Blumenablage (die uns kein arg klassisches Beispiel für eine Biegerechnung zu sein scheint) eine kleine Berechnung anstellen, möchten wir die zwei folgenden Punkte klären:

    1. sind wir hier auf Berufsschulebene. Deshalb überlassen wir z. B. das Thema Durchbiegung f (in cm) der Fachhochschule, in die Sie nur mit Abitur hineinkommen. In f = F . l hoch 3 : (3 E . I) kommt der Elastizitätsmodul und das Trägheitsmoment vor. Sie sind beide kein Fall für uns, aber für Ihre Blumenablage und die Fachhochschule.
    2. liegt es uns schon aus Platzgründen fern, Konkurrenz für das Tabellenbuch zu sein. Wenn wir rechnen, liegt es neben uns auf dem Schreibtisch. Deshalb finden Sie hier keine Materialtabellen. 

    Zur Rechnung:
    Sind wir mal nicht zu spießig und sagen: 20 kg entsprechen ziemlich genau 20 daN oder 200 N. Ansonsten möchten Sie ein 2 mm- Stahlblech in die Wand mörteln, das 16 cm herausschaut und – das haben wir selbst festgelegt – 1 m lang ist.
    Nehmen wir die im tec.LF genannten Formeln, erhalten wir aus sb = Mb : Wb für

    Mb = F x a = 200 N . 16 cm = 3 200 Ncm, und für
    Wb = b . h2 : 6 = 100 cm . (0,2 cm)2 :  6 = 1,5 cm3
    Daraus σb = 2 133 N/cm2
    Unser Tabellenbuch sagt uns, dass die zulässige (statische) Biegefestigkeit sbzul für einen mittleren Baustahl bei 14 000 N/cm2 liegt. Also dürfen Sie das 2-mm-Blech sorgenlos in die Wand mörteln und haben noch eine mindestens 6-fache Sicherheit. Oder anders gesagt: Sie können fünf weitere 20-kg-Blumentöpfe aufs Brett stellen.

    Gruß
    tec.LFIhr Kommentar

    schrieb tec.LEHRERFREUND am

  • #2

    Dieser Beitrag gibt exakt das wieder, was man dazu überall im Internet findet (was nicht per se schlecht ist). Leider fehlt aber eben das Standbein der Anwendung in der Realität. Zum Beispiel will ich gerade ein etwas breiteres Fensterbrett abstützen, welches 160mm überragt und ggf. Lasten von so 10..20kg mal ertragen könnte. Nun überlege ich, ob 3 Stück 2mm dicke Stahlbleche (einseitig verankert) ausreichen, oder ob ich doch besser 3mm nehmen sollte. Hier kommt generell noch der Unterschied zwischen plastischer und elastischer Verformung ins Spiel, aber davon mal abgesehen - Wie stark verbiegen sich meine 3 Bleche eigentlich ? Entweder 6,5mm oder 22mm ...

    Aus meiner Sicht sollte man die nötigen Schritte noch machen ... also z.B. Gewicht in kg mal g, um zu Newton zu kommen, eine kleine Materialtabelle für die Elastizität (da kann man mal kurz überrascht sein), etc. DANN bleibt es auch im Kopf, denn dann macht es Sinn, das zu wissen. Irgendwelche abstrakten Momente ... naja.

    schrieb EinLeser am

  • #3

    Guten Tag,

    erstmal vielen Dank für Ihre Mühen! Ich vermisse in den neuen Auflagen des Tabellenbuches Metall die Formeln zur Durchbiegung, die früher unter der Überschrifft “Biegebelastungsfälle von Bauteilen” zu finden waren. Besonders die Bilder (Beidseitig eingespannt, auf zwei Stützen) usw. fand ich klasse zum erklären. Vielleicht könnten Sie die Durchbiegung hier noch einbringen.
    Guten Abend

    schrieb Uschi am

  • #4

    Hallo Herr Brinkmann, 

    in fast allen Fachpublikationen ist nach wie vor von Fasern, Faserrichtung usw. die Rede. Allerdings wir dabei nur von einem beim Walzen entstehenden »faserähnlichen Materialaufbau« gesprochen. 
    In der Ausbildung darf man beim Thema Biegen unserer Meinung nach davon ausgehen, dass die Fasertheorie ein taugliches Mittel ist, Biegevorgänge besser verständlich zu machen. Gleichzeitig muss aber geklärt werden, dass sich beim Biegen im Blechquerschnitt keine Fasern sichtbar zueinander verschieben.
    Gruß
    tec.LEHRERFREUND

    schrieb tec.LEHRERFREUND am

  • #5

    Ich weiß ja, dass der Begriff immer noch üblich ist. Gleichwohl habe ich bereits vor über 20 Jahren in der Berufsschule gelernt, dass Metalle nicht aus Fasern bestehen und mithin auch keine neutrale Faser oder sonst eine besitzen. Sollte der Begriff Faser daher nicht mal so langsam verschwinden?
    Es grüßt
    Michael Brinkmann

    schrieb Michael Brinkmann am

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