Fischer-Dübel - eine durchschlagende Erfindung 04.01.2015, 08:11
Eine kurze Abhandlung über den Weg einer erfolgreichen Erfindung. Der tec.LEHRERFREUND empfindet den Konstruktions-Entwurf des S-Dübels von Artur Fischer nach.
Ein Welterfolg: der unscheinbare Fischer-Dübel
Am 31. Dezember 2014 beging Artur Fischer seinen 95. Geburtstag. Jeder kennt seinen grauen Spreizdübel, den »S-Dübel«, den er 1958 zum Patent anmeldete. Zu Hunderten Millionen stecken die unscheinbaren Kunststoffteilchen in Wänden auf der ganzen Welt und halten verlässlich Bilderrahmen, Haken, Vorhangstangen, Lampen usw. fest.
Artur Fischer gelang mit der Erfindung eine Revolution auf dem Markt der Wandbefestigungen. Beim Eindrehen der Schraube drückt diese die geschlitzten Hälften des Röhrchens auseinander und Sperrzungen pressen sich elastisch gegen die Bohrungswandung. Die Dübel bestehen aus dem zähen und wärmebeständigen Polyamid. Die Dübelzähne erhöhen die Haltbarkeit der Verbindung. Damit ist nur noch ein Arbeitsgang für eine starke Befestigung nötig. Dieser Vorteil verdrängte alle bisherigen Dübeltypen vom Markt. Der Dübel war Fischers großer, aber nicht einziger Wurf.
Mit seinen über 1000 Patenten und 5800 Schutzrechten im In- und Ausland wurde der aus dem Schwarzwald stammende Fischer zum erfolgreichsten Erfinder Deutschlands. So benutzen seit 1964 viele Kinder die «fischertechnik»-Baukästen; sie finden damit den spielerischen Einstieg in die Welt der Technik. Die technische Perfektion der Bauteile des Kastens erlaubt sogar den Einsatz in der Industrie zur Planung computergesteuerter Produktionsanlagen. Zum Erfolg startete Fischer mit einer Schlosserlehre.
Der fast schon legendäre Spreizdübel wird zwar immer noch produziert. Wäre aber den Fischer-Ingenieuren seit 1958 nichts Neues eingefallen, hätte sich das Unternehmen mit seinen heute fast 4 000 Mitarbeitern weltweit nicht so erfolgreich entwickeln können. Vielleicht hat dies auch mit dem zu tun, was man sich in Tumlingen, Fischers Geburts- und Wohnort respektvoll erzählt: Der Alte geht, obwohl er die Firma längst an den Sohn und dieser an Arturs Enkel abgegeben hat, noch jeden Tag »ins Gschäft«, um nach dem Rechten zu sehen.
Nachtrag:
Artur Fischer starb am 27. 1. 2016 im Alter von 96 Jahren.
Der tec.LEHRERFREUND versucht in diesem Beitrag, den Konstruktions-Entwurf des S8-Dübels nachzuempfinden. Das Endprodukt hat er mit einem Aquarell gekrönt.
1 Der ursprünliche Dübel war in seiner einfachsten Form ein massiver (Holz-) Zylinder. An dieser Form orientiert sich auch der S-Dübel. Der ganz frühe Holzdübel riss in Faserrichtung auf, wenn eine Schraube eingedreht wurde, und übertrug so die Spreizkraft auf die Dübelwandung. Sein industrieller Nachfolger stammt von 1926; er bestand aus einer Metallhülse mit Textileinlage (Bild unten wikipedia). Ihm fehlten allerdings alle Fischer-Feinheiten.
Bild: Defender: Dübel mit Gewebeeinlage in Blechhülse (CC BY-SA 3.0)
2 Der S-Dübel darf nicht zerbrechen. Also macht ihn Fischer mit einem Längsschlitz nachgiebig. Das zähe Polyamid (Handelsname Nylon) unterstützt diese Absicht.
3 Der S-Dübel erhält eine zylindrische Bohrung, die anschließend kegelförmig zum Schlitz hin ausläuft. 3 ist eine Schnittzeichnung (die Schnittflächen sind rot).
4 Die unter 3 beschriebene Innenform ist der Schraube angepasst, mit der später die Last befestigt wird. Damit die geschlitzten Hälften bis zum Einbau stabil beieinander bleiben, werden sie durch den sehr kleinen quadratischen Steg rechts zueinander fixiert.
Spätestens hier musste der Konstrukteur eine Idee haben, wie sich diese Formen kostengünstig spritzen lassen.
5 Die weitere Form des S-Dübels muss so gestaltet werden, dass er beim Eindrehen der Schraube in der Wandbohrung in keinem Moment mitdreht, aber mit jeder neuen Schraubenumdrehung sicherer sitzt. Das wird durch die drei ersten Nasen und die zusätzlichen abstehenden Zungen gewährleistet. Die Einkerbungen zwischen den Nasen kann man als Gelenke auffassen, die ebenfalls zur Flexibilität des Dübels beitragen.
Wenn die Last endgültig befestigt ist, sind die Zungen in entsprechenden Vertiefungen verschwunden.
6 Das Kunstwerk in (isometrischer) Perspektive.