Kräfte ermitteln durch Freimachen 04.10.2011, 11:14

Haken, freigemacht, Vorschaubild

Wie macht man ein belastetes Bauteil frei? Man denkt sich den Körper von seinem Kontakt mit den umgebenden Bauteilen befreit und fügt an ihrer Stelle diejenigen Kräfte hinzu, die an den Berührungsstellen wirksam werden können. Dafür nimmt man vom freizumachenden Körper ein Teil nach dem anderen weg und überlegt sich, welche Kraftwirkung die weggenommenen Bauteile auf den Körper ausüben.

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Mechanik der Kräfte: Körper freimachen

Bei der Lösung statischer Aufgaben ist fast immer der Gleichgewichtszustand des betrachteten Bauteils zu untersuchen. Die zeichnerischen oder rechnerischen Gleichgewichtsbedingungen ermöglichen es, unbekannte Stützkräfte o. Ä. zu bestimmen. In den Ansatz der Gleichgewichtsbedingungen müssen aber auch alle wirksamen Kräfte - auch die zunächst unbekannten - aufgenommen werden. Es ist also wichtig, alle im System wirkenden Kräfte zu erkennen, damit wirklich jede Kraft erfasst wird. Darüber hinaus muss man sich auch über deren Wirklinie (Lage am Körper und Richtung) klar werden. Macht man hier einen Fehler, wird die ganze Lösung falsch.
Zuerst bestimmt man die Wirklinie einer Kraft, dann ermittelt man die Kraftgröße (Betrag). Der Weg dorthin ist das Freimachen des betrachteten Bauteiles. 

Die Statik ist ein Fachgebiet der Fachrichtungen Maschinenbau und Bauingenieurwesen. Als Teilgebiet der Mechanik befasst sie sich mit dem Gleichgewicht von Kräften an Körpern. Damit ein ruhendes Bauteil in Ruhe bleibt, müssen die Summen aller Kräfte und Momente, die auf dieses Bauteil wirken, Null sein. Dies sind die Gleichgewichtsbedingungen der Statik. Insgesamt bildet die Ermittlung der Kräfte und Momente Grundlage für die Dimensionierung von Bauwerken und Bauteilen.

Wie macht man ein belastetes Bauteil frei?
Man denkt sich den Körper von seinem Kontakt mit den umgebenden Bauteilen befreit und fügt an ihrer Stelle diejenigen Kräfte hinzu, die an den Berührungsstellen wirksam werden können. Dafür nimmt man vom freizumachenden Körper ein Teil nach dem anderen weg und überlegt sich, welche Kraftwirkung die weggenommenen Bauteile auf den Körper ausüben. An der Berührungsstelle zweier Körper (z. B. Wellenlagerung) treten stets zwei entgegengesetzte, gleich große Kräfte auf (Aktion = Reaktion). Dabei geht es - bei den noch unbekannten Kräften - um die richtige Bestimmung der Wirklinie. Den Richtungssinn wird man meistens schon beim Freimachen des Körpers angeben können. Der Richtungssinn der unbekannten Kräfte ist zunächst nicht so wichtig. Bei der zeichnerischen Lösung kann man ihn entweder ganz weglassen oder gefühlsmäßig eintragen. Die spätere rechnerische Lösung wird ihn später entweder bestätigen oder widerlegen. Wichtig ist, dass man den Richtungssinn stets in Bezug auf das freigemachte und zu untersuchende Bauteil einträgt.
Unsere Überlegungen lassen die Reibung an den Berührungsstellen vorerst unberücksichtigt. 

Beim Freimachen eines Bauteils ist zu beachten:
- Seile, Ketten o. Ä. können nur Zugkräfte in Seilrichtung auf den frei zu machenden Körper übertragen. Zum Freimachen des Kranhakens (Bild), nimmt man das Seil weg und bringt dafür die am Haken nach oben ziehende Kraft FS an. Dann nimmt man die Last weg und ersetzt sie durch eine nach unten ziehende Kraft FG. Nun kann man den Gleichgewichtszustand des Kranhakens untersuchen. 

- Zweigelenkstäbe: Hier treten Längskräfte (Zug- oder Druckkräfte) auf, wenn der Stab nur durch Kräfte in den Gelenken beansprucht  wird. Nimmt man die Lager weg, müssen dafür Kräfte in Stabrichtung eingezeichnet werden. 
Will man z. B. die Schubstange des Kurbeltriebs (Bild) freimachen, um ihre Belastung durch Kreuzkopf und Kurbelzapfen zu erkennen, dann nimmt man den Kreuzkopf weg und zeichnet dafür die Kraft FK in Richtung der Schubstange ein, die ein Zweigelenkstab ist. Ebenso verfährt man mit dem Kurbelzapfen (Kraft FZ). 

- Berührungsflächen übertragen nur Normalkräfte.
Der Kreuzkopf wird freigemacht, indem man die Schubstange wegnimmt und dafür die Kraft FSt (in Bezug auf den Kreuzkopf) einträgt. Dann ersetzt man die Kraftwirkung der Kolbenstange durch die Kraft FK. Nun muss man noch die untere Gleitbahn vom Kreuzkopf wegnehmen. Dazu ist zu bemerken, dass sich zwischen reibungsfrei berührenden Flächen nur Normalkräfte, d. h. senkrecht zur Fläche wirkende Kräfte übertragen werden können (Bild). Eine Bewegungsprobe macht dies verständlicher: Verschiebt man die untere Gleitbahn waagrecht, wird der Kreuzkopf nicht mitgenommen, was bedeutet, das die Gleitbahn keine Kraft auf den Kreuzkopf ausübt.
Verschiebt man die Gleitbahn senkrecht, wird der Kreuzkopf angehoben oder abgesenkt, also ist eine Kraftwirkung vorhanden. 

- Kugeln und Rollen: Sie können nur Kräfte übertragen, deren Wirklinien durch den Kugelmittelpunkt und die Berührungspunkte A, B und C gehen. Auch hier werden reine Normalkräfte übertragen. Unten die freigemachten Kugeln.

- Einwertige und zweiwertige Lager
Einwertige Lager übertragen nur Kräfte senkrecht zur Stützebene; in der Türaufhängung unten ist es FA. Solche Lager bezeichnet man auch als Loslager.  

Zweiwertige Lager (Festlager) übertragen Kräfte in beliebiger Richtung, d. h. die Lagerkraft hat sowohl eine Komponente in waagerechter als auch eine in senkrechter Richtung (x- und y-Komponente). Weil man hier die Kraftwirklinie zunächst nicht angeben kann, trägt man die zwei aufeinander senkrecht stehenden Wirklinien der Komponenten ein. Solche Lager bezeichnet man als Festlager.

Lager B in der Türaufhängung ist ein solches Festlager; die tatsächliche Richtung der Wirklinie dieser Lagerkraft wird erst durch die  Gleichgewichtsbedingungen bestimmt. Die Tür wird gehalten durch das obere Halslager A und das untere Stützlager B.

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